Richard Clayderman (c) Delphine Productions

Richard Clayderman (c) Delphine Productions

Richard Clayderman, geboren 1953 als Robert Louis Philippe Pagès, zählt zu den berühmtesten Musikern und Pianisten unserer Zeit. Der Name „Clayderman“ ist ein Künstlername und geht auf seine skandinavischen Vorfahren zurück. Richard Clayderman machte seinen Weg zu einer Zeit, als Disco-Musik vorherrschend war und begann als Barpianist und Begleitmusiker von Varieté-Künstlern. Schon früh von seinem Vater, der selbst Akkordeonspieler war, am Klavier ausgebildet, trat er im Alter von 12 Jahren ins Konservatorium von Paris ein. Im Jahr 1977 erschien „Ballade pour Adeline“, die von einem Freund seines Produzenten Olivier Toussaint komponiert wurde. Das Lied hatte einen unerwarteten und sofortigen Erfolg und wurde ein grosser „Hit“, zu einer Zeit, als Musik wie beispielsweise „Saturday Night Fever“ in aller Munde war. Die Platten und CDs von Richard Clayderman haben sich bis heute 120 Millionen Mal verkauft. Im Interview mit Christian Dueblin spricht Richard Clayderman über seinen musikalischen Ansatz, seine persönliche Meinung von „Ballade pour Adeline“, seine Musik und Interpretationen, die allen Stilarten widerstanden haben, seine Zusammenarbeit mit Olivier Toussaint und über Äusserungen von anderen grossen Musikpersönlichkeiten in Xecutives.net-Interviews.

Dueblin: Ihr Vater war Pianist und Sie wurden frühzeitig im Alter von 12 Jahren zur Musikakademie zugelassen. Wie beeinflussten Ihr Vater und Ihre Mutter die Musik von Ihnen und Ihre Persönlichkeit?

Richard Clayderman: Mein Vater war zuallererst Akkordeonspieler, aber natürlich spielte er auch Klavier. Da er Klavierunterricht erteilte und Musiktheorie lehrte, war das Klavier seit jeher ein Teil der Ausstattung der Wohnung, in der wir, meine Eltern, meine Schwester und ich, in Romainville, einem Vorort von Paris, wohnten.

Das Klavier mit seinen Reihen makelloser weisser und schwarzer Tasten in regelmässigen Abständen sprach mich an … zog mich regelrecht an … Sehr einfühlend haben meine Eltern mir das Klavierspielen lernen erleichtert, ohne mich jemals barsch zu tadeln. Mein Lernen am Klavier war nie von einem unerträglichen Leistungsdruck belastet, aber meine Eltern organisierten mein Leben um das Klavier herum und vermittelten mir die Achtung des Augenblicks, die ich dem Klavier geben musste. Manchmal forderten sie mich auf, mit dem Fussballspielen mit meinen Freunden aufzuhören, damit ich meine Übungen am Klavier machen konnte. Ich war gehorsam und ich wusste, dass sie es gut meinten. Noch heute bin ich ihnen dafür dankbar.

Dueblin: Ihre musikalische Reise erinnert mich an Jon Lord (Keyboarder / Gründer von „Deep Purple“ und Kenner der klassischen Musik), der vor kurzem verstorben ist. Er erzählte mir von seinen frühen Jahren, als er mit Musikern arbeitete. Er konnte kaum die Miete bezahlen, aber er war sehr anspruchsvoll gegenüber seinen Zielen und seiner Vision von Musik. Schliesslich hat er über 200 Millionen Platten und CDs mit der Gruppe „Deep Purple“ verkauft.

Richard Clayderman: In der Schule war ich nicht einer der Besten. Ich war weder in Mathematik, noch in Physik, noch in irgendetwas begabt und meine Eltern hofften daher, dass die Musik, vor allem das Klavierspielen, mir erlauben würde, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir hatten den einen Ehrgeiz und die Hoffnung, dass ich eines Tages Begleitmusiker werden würde. Ich war zuerst Organist in einer Pop-Gruppe, bevor ich Musikbegleiter von Varieté-Künstlern wurde.

Dueblin: Welche Erwartungen hatten Sie, als Sie noch sehr jung waren und Klavier spielten? Welche waren Ihrer Meinung nach die wichtigsten Schritte und Bedingungen, die Ihren Erfolg ermöglichten?

Richard Clayderman: Ich hatte keine anderen Ambitionen, als so gut wie ich konnte Klavier zu spielen, aber eine Solo-Karriere war nie Teil meiner Träume, noch eines meiner Ziele. Es war reines Schicksal, dass ich von Olivier Toussaint ausgewählt wurde, um „Ballade pour Adeline“ zu spielen. Damals dachte keiner, weder er, noch ich, noch sonst jemand, dass ich eine Karriere machen würde, wie ich sie seit 35 Jahren mache. Was mir passiert ist, war weder berechnet noch geplant.

Richard Clayderman (c) Delphine Productions

Richard Clayderman (c) Delphine Productions

Dueblin: „Ballade pour Adeline“, das heute eines der beliebtesten Stücke der zeitgenössischen Musik ist, wurde von Paul de Senneville für seine Tochter Adeline komponiert. Was sind Ihre Gefühle gegenüber diesem Stück, das Sie Tausende Male gespielt haben? Haben Sie eine besondere Beziehung zu diesem Lied? Und wie geht es Adeline?

Richard Clayderman: Weder Paul de Senneville noch ich konnten sich vorstellen, dass das Stück „Ballade pour Adeline“ mir die Türen zu einer Karriere öffnen würde, die niemand erahnen, noch erträumen, konnte. In diesen 150 Sekunden der Musik gibt es etwas Klares und Offensichtliches, das das Stück zeitlos und ewig dauern lässt. Adeline ist heute knapp 40 Jahre alt und ich nahm vor kurzem mit ihr an einer TV-Show in Deutschland teil. Man wollte sie besser kennenlernen und einige wollten sie sogar „entdecken“.

Dueblin: Sie sind ein Fan und Kenner des Jazz, aber Sie spielen keinen Jazz. Was gefällt Ihnen genau an dieser Musik?

Richard Clayderman: Seit über 20 Jahren höre ich eine Menge Jazz. Ich bewundere die Interpreten dieser Musik, die so verschieden von dem ist, was ich selber tue. Ich liebe ihre Virtuosität, ihre Fähigkeit zu improvisieren und in vielen Fällen ihre Demut. In meinen Konzerten kann ich nicht widerstehen, ein Jazz-Stück zu spielen. In den letzten Jahren habe ich oft „Looking up“ von Michel Petrucciani gespielt und ich denke, dass das Publikum glücklich ist, diese schöne Komposition zu hören.

Dueblin: Die Welt der Musik und die Musikstile haben sich dramatisch verändert, aber einige Ihrer Melodien und Interpretationen widerstehen allen Modeströmungen. Es ist wahrscheinlich, dass Ihre Musik in 50 Jahren weiterhin gespielt werden wird, während andere Musik in Vergessenheit gerät? Wie erklären Sie sich das?

Richard Clayderman: Beim Anhören der meisten meiner Aufnahmen werden Sie feststellen, dass die melodischen Themen darin wichtig sind. Denn es ist die Melodie, die bleibt und schlussendlich überdauert. Ich denke, diese Melodien werden einigen meiner Aufnahmen eine grössere Chance geben, ein paar Jahre nach meinem Tod beliebt zu bleiben.

Richard Clayderman (c) Delphine Productions

Richard Clayderman (c) Delphine Productions

Dueblin: Wie alle Menschen, die berühmt sind, scheinen Sie auch Neid zu wecken und Sie mussten sich Kritik an Ihrer Musik gefallen lassen? Fühlen Sie sich angesichts Ihres Erfolges persönlich von dieser Kritik betroffen?

Richard Clayderman: Es ist wahr, dass ich in Frankreich das Ziel harscher Kritik bin, und darüber bin ich traurig. Aber in Asien, Lateinamerika, Australien spüre ich keine solche Kritik. Das ist eine grossartige Belohnung und vielleicht werde ich eines Tages in meinem eigenen Land mehr geschätzt werden.

Dueblin: Sie arbeiteten 30 Jahre lang mit dem gleichen Produzenten, Olivier Toussaint (Delphine Records), aber auch mit Hervé Roy und Gerard Salesses, beide grosse Musiker und Komponisten. Diese lange Zusammenarbeit, besonders mit Olivier Toussaint, kann als einer der Schlüssel zu Ihrem Erfolg betrachtet werden. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Ihrem Produzenten beschreiben?

Richard Clayderman: Hervé Roy und Gerard Salesses haben die Mehrheit der Aufzeichnungen, die ich in den letzten 35 Jahren gemacht habe, arrangiert. Beide konnten mir mit ihrer Persönlichkeit und ihren Talenten sehr geschickte Kombinationen für die rechte und linke Hand aufschreiben. Ich bin nur ein Künstler, und auch wenn ich hie und da ein paar Takte hinzugefügt habe, das Wesentliche wird durch die Arrangeure geleistet, die nicht nur für das Klavier zu schreiben wissen, sondern auch für alle anderen Musiker, die mich begleiten.

Meine Produzenten Paul de Senneville und Olivier Toussaint sind nicht nur meine finanziellen, sondern auch meine künstlerischen Produzenten. Ohne sie und ihre Mitarbeiter der Delphine Productions und Delphine Editions hätte sich meine Karriere nicht so, wie sie verlaufen ist, in der ganzen Welt entwickeln können.

Ich selbst hatte genug mit meinen Konzerten, den Fernsehauftritten, den Musikaufzeichnungen und den Reisen zu tun, sodass sie sich auf die Kompositionen, die Wahl des Repertoires, des Marketings und alles, was nötig war, konzentrierten; derart, dass zwanzig ihrer Mitarbeiter vollzeitlich mit dem Verkauf meiner Aufzeichnungen und der Werbung beschäftigt waren, nicht zu vergessen auch mit dem Abschliessen der Konzertverträge. Nichts hätte entstehen können, wenn ich nicht von einem so talentierten und dynamischen Team umgeben gewesen wäre.

Richard Clayderman (c) Delphine Productions

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Dueblin: In einem Interview erwähnte Jon Lord ebenfalls, dass in den siebziger Jahren die Plattenfirmen auch eine Mentoring-Rolle in Bezug auf die jungen Musiker gespielt haben, die nach neuen Wegen suchten, um Musik zu spielen. Welche Erfahrungen haben Sie persönlich gemacht?

Richard Clayderman: Die 70er-Jahre gehören zu den goldenen Jahren der Rock-, Pop- und Varieté-Musik. Heute sind die potentiellen Musikkonsumenten weniger mit der Musik beschäftigt, sondern sie sind meist daran interessiert, in ihr Smartphone zu schauen. Ich profitierte von einer Welle, die mir noch heute erlaubt, Konzerte auf der ganzen Welt zu geben. Ich bin ein glücklicher Mensch … ein glücklicher Pianist.

Dueblin: Einige talentierte junge Musiker hatten nicht so viel Glück wie Sie. Einige starben bevor sie sich entwickeln konnten. Chi Coltrane, Queen of Rock, erzählte mir unlängst von den Schwierigkeiten junger Talente mit den Plattenfirmen, dem Management, den Drogen und dem Alkohol. Welchen Rat können Sie jungen Menschen geben, die zur Musik streben?

Richard Clayderman: Es gibt auf der Welt Tausende von Musikern, die ausgezeichnete Musiker sind. Aber die Öffentlichkeit erwartet nicht nur diese Art des Könnens. Sie ist empfindlich, auf das, was bei ihr besondere Emotionen erzeugt, seien dies glückliche oder traurige Emotionen. Mein Glück besteht darin, Kompositionen zu spielen, die zu meinem Stil, meiner Persönlichkeit, meinem Geschmack passen und viele Personen zu verführen wissen. Der einzige Rat, den ich einem Anfänger geben kann, ist, eine Art, einen Stil, zu finden, den bisher niemand sonst in der Lage war anzubieten.

Dueblin: Herr Clayderman, welche Projekte möchten Sie in den kommenden Jahren umsetzen, für die Sie in den letzten drei Jahrzehnten keine Zeit hatten?

Richard Clayderman: Weder meine Produzenten noch ich haben konkrete langfristige Pläne. Wir lassen die Dinge auf uns zukommen und wenn sie da sind, tun wir unser Bestes, um sie so zu realisieren, wie wir können. Ich gebe Ihnen als Beispiel mein neues Album „Romantique“: Decca London kontaktierte uns vor eineinhalb Jahren. Sie wollten ein neues Album von mir herausbringen. Wir realisierten es mit grosser Sorgfalt und mit Freude. Es ist ein schönes Album, das es mit seiner fröhlichen Art und Weise um die Welt schafft. Ich bin immer für neue Projekte offen, egal ob es sich um Alben, Fernsehshows oder Konzerte mit anderen Künstlern handelt.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Clayderman, ich danke Ihnen sehr für dieses Interview und die Zeit, die Sie sich genommen haben, und wünsche Ihnen und Ihrer Familie weiterhin alles Gute.

© 2013 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet. ______________________________
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