Lukas R. Vogel

Lukas R. Vogel

Lukas R. Vogel, 1959, Optiker, Kunstmaler, Bergsteiger und Organist ist der zurzeit wohl produktivste Maler in der Region Engadin-Bergell. Im Aargau geboren, zog er 1980 ins Engadin, übernahm 1984 ein Optikerfachgeschäft in St. Moritz und gründete im Jahr 1989 die Galerie Palü in Pontresina. Aus verschiedenen malerischen Experimentierphasen entstand Anfang der Neunzigerjahre ein eigener, zunächst rein naturalistischer Malstil, meist ausgeführt in Alkydharz oder Öl. Die Mehrzahl der bald 2‘000 Werke sind Gemälde mit Ansichten der Bündner Alpenlandschaft; Berge, die er als passionierter Alpinist oft auch selbst bestiegen hat, aber auch Gipfel aus anderen Regionen. Mit den „Momenti“ und „Impressionen“ entwickelt sich nun ein teilweise abstrakter Malstil. Im Gespräch mit Joe Amberg erzählt Lukas R. Vogel über seinen malerischen Werdegang, seine Faszination für klassische Musik, die zunehmenden Verkaufserfolge seiner Werke, und seinen ausgeprägten Ordnungssinn.

Amberg: Sehr geehrter Herr Vogel, in Ihrer Autobiographie schildern Sie eine Situation in der Schule. Ihre Primarlehrerin äusserte sich damals negativ über Ihre Handschrift, was Sie offensichtlich sehr beschäftigte. Später kam es zu einer vernichtenden Kritik eines Bezirksschullehrers in Bezug auf eine Ihrer Skizzen. Betrachtet man heute Ihrer Bilder, staunt man über diese Kritik. Wurde Ihre Malerei vielleicht aus einer Art „Trotzreaktion“ heraus geboren?

Lukas R. Vogel: (Lacht) Diese Anekdoten, dass meine Primarlehrerin meine Schrift ein „Gekrakel“ fand und mich der Zeichnungslehrer ein „Quadratsäuli“ schimpfte, haben mich nie wirklich beschäftigt, denn die Bemerkungen fielen damals unter ganz anderen Umständen und Voraussetzungen als sie heute herrschen. Die Umgangsformen waren damals in der Schule etwas ruppiger als wir es uns heute gewohnt sind und als wir es heute erwarten dürfen.

Amberg: Letztes Jahr wurden Sie fünfzig. Sie betreiben gleichzeitig ein Optikerfachgeschäft, zwei Gemäldegalerien und Ihr Malatelier im Bergell. Als Bergsteiger standen Sie gerade zum 29. Mal auf dem Gipfel des Piz Palü. Sie sind zudem Organist und beschäftigen sich mit Fotografie. Wo sehen Sie selber den Zusammenhang sprich den roten Faden zwischen all diesen doch sehr verschiedenen Tätigkeiten?

Lukas R. Vogel: Die Tätigkeit als Maler hat sich in den letzten drei Jahrzehnten langsam entwickelt, derweil mein eigentlicher Beruf als Augenoptiker die Grundlage des Erwerbslebens geblieben ist. Die Situation hat sich vor einiger Zeit dahingehend verändert, dass ich einen sehr guten Mitarbeiter habe, der seit diesem Sommer Geschäftsführer im Optikerladen ist und ich es mir somit nach 25 Jahren Aufbauarbeit und Geschäftsführung leisten kann, im Optikergeschäft etwas kürzer zu treten. Das Bergsteigen – heute mehr das Wandern – sowie das Fotografieren gehören ganz klar zu meiner Malerei dazu. Mit Beidem gehe ich gezielt auf die Suche nach neuen Gemäldemotiven. Die klassische Musik im Allgemeinen und die Orgel im Besonderen haben mich von früher Jugend an fasziniert. Allerdings bleibt mein Können auf dem Niveau eines Amateurs. Mich als Organisten zu bezeichnen, wäre etwas zu hoch gegriffen, auch wenn ich ab und zu an Gottesdiensten musikalisch tätig bin und die Menschen auf der Orgel begleite.

Amberg: Im Jahr 2007 haben Sie der Kirche San Pietro in Coltura / Stampa (Bergell) eine elektronische Kirchenorgel gestiftet und schreiben gerade an einer „Fantasie für Grosse Orgel im französischen Stil“. Was ist es, was Sie gerade am Orgelinstrument reizt?

Lukas R. Vogel: Es ist der Klang, die Vielseitigkeit, die technischen Möglichkeiten und die Grösse der Orgel. All das hat mich seit der Zeit in der Lehre aufs Höchste fasziniert und inspiriert. Wenn man sieht, dass für dieses Instrument seit über fünf Jahrhunderten Musik geschrieben wird und man auf der Orgel auch sehr viele Musikstücke spielen kann, die nicht speziell dafür geschrieben wurde, wird auch klar, welche beinahe unbegrenzten Möglichkeiten – auch aufgrund der verschiedenen Orgelregister und deren Kombinationen untereinander – dieses Instrument bietet.

Amberg: Ihre malerische Laufbahn begann mit Tuschezeichnungen von Mineralien aber auch Orgeln. Um die Engadiner Landschaften realistisch einzufangen, setzten Sie erst Tempera, dann Acryl und schliesslich die klassischen Ölfarben ein. Heute entstehen viele Werke in Alkydharz. Können Sie uns etwas über Ihre Instrumente und Materialien zur Malerei berichten? Sind sie Gegenstand einer inneren Entwicklung?

Lukas R. Vogel: Die Entwicklung erfolgte mehr durch Experimentieren und Suchen nach geeigneten Mitteln; vieles hätte ich natürlich schneller entdeckt, wenn es mir jemand gesagt hätte – aber dadurch habe ich eigene Erfahrungen mit vielen Techniken und Materialien gesammelt. Durch die Öl- und Alkydharzfarben fand ich das geeignete Mittel für meine Berggemälde. Das entspricht in Material und Technik der klassischen Ölmalerei, die es seit Jahrhunderten gibt. Als Untergrund verwende ich ausschliesslich Leinwände und zum Teil fixfertig bespannte Keilrahmen. Bei den grossen Formaten spanne ich die Leinwand selber auf und verwende dabei reines schweres Leinengewebe, das sehr stabil und problemlos zum Spannen eingesetzt werden kann. Bisher habe ich fast ausschliesslich Rundpinsel verwendet und für Gemälde mit Häusern auch Flachpinsel. Einige ganz spezielle Utensilien und Techniken verrate ich hier aber nicht (lacht).

Lukas R. Vogel: "Herbststimmung mit Piz la Margna", entstanden 2007/08 Oel auf Leinwand, 50 x 200 x 8 cm, Privatbesitz

Lukas R. Vogel: „Herbststimmung mit Piz la Margna“, entstanden 2007/08 Oel auf Leinwand, 50 x 200 x 8 cm, Privatbesitz

Amberg: Sie haben sich Ihre malerischen Fähigkeiten hauptsächlich autodidaktisch angeeignet, also keine „klassische“ Ausbildung als Kunstmaler durchlaufen. Vermissen Sie diese klassische Ausbildung manchmal oder sehen Sie deren Fehlen heute gar als Vorteil für Ihre Kunst?

Lukas R. Vogel: Das ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen, weil ich eine solche Ausbildung nicht gemacht habe. Ich denke aber, dass ich an einer Kunstschule kaum gelernt hätte, realistisch zu malen…

Amberg: Sie bekennen, ein „auf dramatisch-romantische Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert geschultes und fixiertes Auge“ zu haben. Ihre Vorliebe gilt beispielsweise den Werken von Alexandre Calame oder seinem Lehrer François Diday und anderen Bergmalern der Romantik. Haben auch Engadiner Malern wie Giovanni Giacometti und Giovanni Segantini Einfluss auf Ihr künstlerisches Wirken?

Lukas R. Vogel: Selbstverständlich habe ich mich mit Segantini und anderen Bergmalern auseinandergesetzt, aber meine Technik und Stil hat mit ihnen kaum Gemeinsamkeiten. Es sind ganz klar die von Ihnen erwähnten Maler des 19. Jahrhunderts, die mich faszinieren und meinen Stil beeinflussen. Es war die Zeit, in der die Maler versuchten, Stimmungen in Landschaften und Bergen möglichst naturgetreu wiederzugeben, natürlich der Epoche entsprechend oft mit dramatischen Wetterstimmungen, wie das wunderbare Gemälde von A. Calame „Gewitter auf der Handeck“ schön zeigt. Damals waren die Alpen noch sehr bedrohlich und unnahbar. Viele Gipfel waren auch noch gar nicht bestiegen und so dramatisierten die Künstler das Gesehene oder Erlebte eben in ihrer Malerei. Ich habe auch eine kleine Sammlung Gemälde aus dieser Zeit, jedoch nicht von den berühmtesten Künstlern. Meist handelt es sich um Bergmotive aber auch um Stillleben, die mich auch sehr faszinieren.

Amberg: Ihre Gemälde entstehen im Atelier. Grundlage sind in der Regel Fotografien, die Sie selber gemacht haben. Müssen Sie die Berge, die Sie malen selber gesehen und bestiegen haben? Wie würden Sie Ihren Bezug zu den Objekten und Landschaften, die Sie malen, beschreiben?

Lukas R. Vogel: Ein ganz grosser Vorteil ist natürlich, einen Berg zu kennen, sei es aufgrund vieler Beobachtungen oder Besteigungen, wie diejenigen des Piz Palü. Dadurch bin ich nach dem Skizzieren fast unabhängig von der Vorlage und kann die Wände, Gletscher und Grate so darstellen, wie sie sind und nicht wie sie auf einer Fotografie wirken. Ich habe aber auch schon Gipfel gemalt, die ich selber in natura nie gesehen habe, wie das Matterhorn und die imposanten Berge des Himalajas. Da ich die Engadiner- und Bergeller-Spitzen schon oft gemalt habe, suche ich dort trotzdem immer nach neuen Motiven und Herausforderungen, obwohl diese Gemälde bei den Kunden und Betrachtenden auf weniger Interessente stossen.

Amberg: Mit den „Momenti“-Gemälden verlassen Sie den rein naturalistischen Stil und abstrahieren die kurzen Momente, in denen die Morgen- oder Abendsonne markante Teile der Gipfel aufscheinen lässt. In den „Impressionen“ geben Bildvordergründe noch zusätzliche Bildtiefe und in einigen Werken werden gemalte Bergflanken von Flächen aus Gold- und Silberfolien abgelöst. Diese Bilder unterscheiden sich von den Werken der Vergangenheit. Was ist der Grund für diese Entwicklung und das Sichabwenden vom Naturalismus beim Malen?

Lukas R. Vogel: Die Idee der Impressionen verdanke ich eigentlich einem Bergführer, der in der Galerie ein unfertiges Gemälde sah und es so als gelungen und fertig empfand. Die Weiterentwicklung war dann das Verwenden von echtem Blattgold und der nächste, eigentlich fast logische Schritt, waren dann die „Momenti“, als Zwischending des Realismus und der „Impressionen“. Ich habe auch schon zweimal eine Trilogie gemacht, mit dem gleichen Berg in den drei Stilen. Die rein realistischen Gemälde finden aber nach wie vor am meisten Anklang.

Lukas R. Vogel: "Momentum: Piz Palü am Morgen", entstanden 2009 Alkydharz auf Leinwand, 100 x 120 x 8 cm

Lukas R. Vogel: „Momentum: Piz Palü am Morgen“, entstanden 2009 Alkydharz auf Leinwand, 100 x 120 x 8 cm

Amberg: Viele Käufer Ihrer Bilder kommen aus städtischen Gebieten wie Basel oder Zürich. Was finden diese Menschen Ihrer Ansicht nach in Ihren Bildern? Was sind die Reaktionen der Kunden bei der Betrachtung Ihrer Bilder, die sich mit Landschaften fern von Technik und Menschen auseinandersetzen?

Lukas R. Vogel: Es ist interessant, dass Sie gerade Basel und Zürich erwähnen. Erstaunlicherweise ist die „Vogel-Dichte“ in der Region Basel mit über einhundert Gemälden am grössten auf der Welt! Zürich und Bern fallen im Vergleich zu Basel deutlich ab. Ich habe aber Gemälde auf jeden Kontinent verkauft. Das bisher grösste Bild von mir hängt übrigens auf Long Island (New York) bei einer ausgewanderten St. Moritzerin – zur Erinnerung an ihre Jugend hier. Das ist wohl der Hauptgrund eines Kaufes meiner Gemälde. Die Käuferinnen und Käufer wollen ein Stück Heimat oder Ferien, also Erinnerungen und Emotionen, mit nach Hause nehmen.

Amberg: Künstler tun sich in unserer marktwirtschaftlich ausgerichteten Welt manchmal schwer. Die Gratwanderung zwischen künstlerischer Freiheit und dem Verdienen von Geld ist nicht immer einfach. Wie gehen Sie damit um?

Lukas R. Vogel: Jeder Künstler, der nicht nur verkaufen, sondern davon leben will, muss sich natürlich auch dem Konsumentenwunsch unterwerfen. Die kleinformatigen Bilder, wie beispielsweise das Format 20x20cm, verkaufen sich rasend schnell, sind aber für mich markant anstrengender zum Malen als etwa ein Gemälde im Format 50x100cm oder noch grössere Bilder. Vor zwei Jahren bekam ich den Auftrag für ein riesiges Gemälde der Zugspitze im Format 130x350cm. Dieser Mal-Auftrag ging mir absolut leicht und zügig von der Hand, derweil ich an den ganz kleinen Gemälden meine grösste Mühe hatte. Jedesmal wenn ich mit der Seilbahn oder zu Fuss auf die Diavolezza gehe, bin ich überwältigt von der Grösse und Wucht der Berge und das auch nach bald dreissig Jahren, die ich hier schon zuhause bin! Und wie soll man so eine Ansicht auf 20x20cm „bannen“? Das Format kann dem wunderbaren Panorama dort und anderswo, zum Beispiel auf der Fuorcla Surlej, im Val Morteratsch oder in Soglio, keinesfalls gerecht werden.

Lukas R. Vogel: "Zugspitze und Sonnenspitze", entstanden 2008 Oel auf Leinwand, 130 x 350 cm, Auftragsarbeit

Lukas R. Vogel: „Zugspitze und Sonnenspitze“, entstanden 2008 Oel auf Leinwand, 130 x 350 cm, Auftragsarbeit

Amberg: Könnten Sie sich vorstellen, an einer internationalen Kunstausstellung, wie beispielsweise der ART in Basel, mit Ihren Gemälden präsent zu sein?

Lukas R. Vogel: Das wäre natürlich eine enorme Chance. Aber dieses Unterfangen wäre ohne Beziehungen und wohl auch finanziell kaum realisierbar. Hier muss man aber auch anfügen, dass mein Malstil in der gegenwärtigen Kunstwelt (noch) absolut verpönt ist. Mein Erfolg aber zeigt, dass viele Menschen sich nicht nach der Kunst-Mode richten.

Amberg: Alle Ihre bisherigen Werke sind präzise nummeriert und Sie haben bereits drei Bildbände mit Schlüsselwerken und biographischer Darstellung publiziert. Was hat es auf sich mit diesem akribischen Nummerieren? Werden Sie eines Tages gar Ihre eigene umfassende Monographie verfassen?

Lukas R. Vogel: Vorerst müsste ich noch präzisieren, dass die Zahl von 2000 Werken etwas relativiert werden muss. Ich habe dank meines Ordnungssinnes sehr früh begonnen, alle meine Werke, besser gesagt „Experimente“, zu nummerieren und mit Bild und Angaben zu archivieren. Das hat den sehr grossen Vorteil, dass für mich rückblickend immer ersichtlich ist, wann was entstanden ist. Es gibt eine grosse Zahl von solchen „Experimenten“, Skizzen, Studien und auch Plastiken, die gar nicht mehr existieren. Die Zahl der „richtigen“ Gemälde ist somit viel kleiner als die von Ihnen genannten 2000.

Dass ich konsequent über jedes Werk Buch führe, hat einen weiteren Hintergrund. Denken Sie an die beiden Galerien und die Mitarbeiterinnen. Sie können im PC jederzeit schauen, wo welches Bild ausgestellt ist und haben alle weiteren Gemälde-Daten mit einem „Klick“ sofort zu ihrer Verfügung. Was die Monographie betrifft: Dank dieser Ordnung habe ich die chronologische Übersicht meines Gesamtwerkes von der Nr. 1 (das erste Bild in Farbe) bis zu den sich gegenwärtig in Arbeit befindenden Bildern. Mit wohl nur etwa fünf Ausnahmen habe ich somit von jedem Werk eine oder mehrere Fotografie(n) und bei grossen Werken auch eine Dokumentation zur Entstehung sowie Detailaufnahmen.

Amberg: Sehr geehrter Herr Vogel, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen bei allen Ihren Tätigkeiten weiterhin viel Freude und Erfolg!

Lukas R. Vogel: "Blick auf Soglio im Frühling", 2009 (c) Lukas R. Vogel

Lukas R. Vogel: „Blick auf Soglio im Frühling“, 2009 (c) Lukas R. Vogel

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