Klaus J. Stöhlker

Klaus J. Stöhlker

Klaus J. Stöhlker, Jahrgang 1941, gehört zu den einflussreichsten PR- und Kommunikations-Beratern in der Schweiz. Der gebürtige Deutsche und Wahlschweizer gründete nach diversen Engagements als Fernsehredaktor und Journalist in Deutschland im Jahre 1982 die Klaus J. Stöhlker AG mit Sitz in Zollikon (ZH). Durch seine zahlreichen Beratungsaufträge für Firmen wie die Swissair und Gazprom aber auch für bekannte Personen aus der Polit- und Wirtschaftswelt sowie als Autor von Büchern und Fachbeiträgen hat er sich einen grossen Namen geschaffen. Im Gespräch mit Christian Dueblin beantwortet Klaus J. Stöhlker Fragen zu seinem neusten Buch „Die Schweiz im Herbst – Der Kampf um das schönste Land der Welt“, in dem er die Schweiz aus seiner privaten und beruflichen Sicht beschreibt. Er nimmt einleitend Stellung zum VW-Skandal und zeigt auf, was diesen seiner Ansicht nach vom FIFA-Skandal unterscheidet. Klaus J. Stöhlker beschreibt die „Jahreszeiten“ der Schweiz und plädiert dafür, die wirtschaftliche Leistung von Talenten in der Schweiz anzuerkennen, denn sie können helfen, den Frühling der Schweiz wieder herbeizuführen. 

Xecutives.net: Sehr geehrter Herr Stöhlker, in Ihrem neusten Buch mit dem Titel „Die Schweiz im Herbst – Der Kampf um das schönste Land der Welt“ setzen Sie sich kritisch sowie auch sorge- und liebevoll mit der Schweiz auseinander. Für VW ist gerade, ähnlich wie bei der FIFA, nicht nur der Herbst, sondern der Winter eingetreten. Was raten Sie als PR-Experte dem Unternehmen und seinen Verantwortlichen?

Klaus J. Stöhlker: Im Falle von VW sieht es nach einem glatten Betrug aus. Die Konzernleitung und sogar staatliche Stellen wussten seit Jahren, dass dieses Abgasproblem bestand, aber der Konzern, der gleichzeitig grosse Wachstumsziele gerade in den USA wie Gewinnziele für den Konzern verfolgte, scheute den staatlich geforderten Aufwand zur Reduktion der Abgaswerte. Gleichzeitig, vor allem in den USA, war pure Dummheit im Spiel, denn Volkswagen warb in den USA offensiv mit den niedrigen Abgaswerten, die gefälscht waren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Skandal ins Rollen kam. Jedes seriöse Unternehmen, vor allem die Konzerne, machen laufend Risikoanalysen ihrer Tätigkeit. Im Rahmen der laufenden Risikobewertung hat man die lauernde Gefahr unterschätzt. Das war Leichtsinn, aber wie die Risikobewertung vieler Banken zeigt, z.B. bei der aktuellen Bewertung von Rohstoffen, ist man bereit, solche Risiken zu dulden. Sergio Ermotti, der CEO der UBS-Gruppe, hat vor kurzem in London seine internationalen Manager aufgerufen, mehr Risiken zu nehmen.

Als PR-Berater habe ich auf zwei Ebenen Eingriffsmöglichkeiten: 1. Eine präventive Argumentation zur Risikobeschränkung. Da die Welt aber voller Risiken ist, setzt sie sich wahrscheinlich nur bei erkannten Höchstrisiken durch. Im Normalfall geht das Geschäft vor. 2. Eine perfekte Abwehr, wenn der „Unfall“ geschehen ist. Juristen und PR-Berater arbeiten idealerweise Hand in Hand, um mit einer perfekten und gut abgestimmten Argumentation den Schaden zu mindern. Zur perfekten Abwehr gehören im Ernstfall das Auswechseln von Personen, das Zugeständnis eigener Fehler und die Bereitschaft, eine neue Kultur zu schaffen. Entscheidend ist es, dies rasch, kräftig und kohärent zu kommunizieren. Dies kann im guten Fall in sechs Monaten erfolgreich sein, aber im schlechtesten Fall Jahre dauern.

Xecutives.net: Was unterscheidet denn Ihres Erachtens das VW- vom FIFA-Debakel, wenn man bedenkt, dass die Entrüstung und die mediale Aufmerksamkeit bei beiden Institutionen etwa gleich gross sind? Immerhin ist die Justiz auch bei der FIFA am Fragen stellen und Abklärungen treffen.

Klaus J. Stöhlker: Im Fall von Volkswagen handelt es sich klar um einen Betrugsfall, der mit hohen Folgekosten in ca. zwei Jahren bereinigt sein dürfte. Im Fall der FIFA handelt es sich letztlich um eine strukturelle Schwäche dieser Weltorganisation. Heute werden im Fussball weltweit jährlich rund 300 Milliarden Euro umgesetzt. Die FIFA als Organisation hatte bisher zu wenige Möglichkeiten, die damit verbundenen betrügerischen Risiken unter Kontrolle zu halten. FIFA-Präsident Sepp Blatter hat seit fünf Jahren Reformen verlangt, die aber vor allem von Deutschen und Franzosen (Michel Platini) sabotiert wurden. Die von Sepp Blatter angestossenen Reformen, z.B. mit Hilfe der Ethikkommission, beginnen jetzt zu greifen. Es ist noch nicht absehbar, was der Druck aus den USA auslösen wird. US-Justizministerin Loretta Lynch, die mit dem Rücktritt von US-Präsident Barack Obama in einem Jahr auch ihren Abschied nehmen muss, will rasch Ergebnisse zeigen. Sie hat auch den Angriff gegen den VW-Konzern ausgelöst.

Klaus J. Stöhlker: Herbst über der Schweiz

Klaus J. Stöhlker: Herbst über der Schweiz

Xecutives.net: Was mögen Sie an der Schweiz, so dass Sie immer wieder Bücher über das Land publizieren?

Klaus J. Stöhlker: Die Schweiz ist das schönste und sicherste Land der Welt. Monaco und Singapur sind weit davon entfernt, eine echte Konkurrenz zu sein. Hier leben im Allgemeinen anständige und umgängliche Menschen mit gutem Umgang und hohen kulturellen Ansprüchen. Die ästhetischen Erlebnisse in der Natur sind von einer Schönheit und Gewalt, die schwer zu übertreffen sind. Nehmen wir ein Beispiel: Wer Tibet besucht, wird rasch erfahren, dass die Berge der Schweizer Alpen einen mindestens so dramatischen Eindruck hinterlassen wie jene im Himalaya und die Kargheit der tibetischen Landschaft mag einige Tage interessant sein, aber dann sehnt man sich an den Vierwaldstättersee, das Tessin oder an den Zürichsee zurück. Die Schweiz bietet einen „way of life“, der dem in London und NYC bei weitem überlegen ist. Ich habe sieben Minuten zum Arbeitsplatz und fünf Minuten, um die freie Natur zu erreichen. Im Umkreis von fünf Kilometern liegen mindestens acht Feinkostgeschäfte. Ich kommuniziere täglich, aktiv oder passiv, in drei bis vier Sprachen. Kein anderes Land kann damit mithalten.

Xecutives.net: Wenn es einen metaphorischen „Herbst“ der Schweiz gibt, so gab es offenbar auch einen „Frühling“ und „Sommer“. Was war zu diesen Jahreszeiten in der Schweiz los und was begründet den Herbst, den Fall der Blätter, wie Sie ihn in Ihrem Buch beschreiben?

Klaus J. Stöhlker: Der Frühling der Schweiz war das liberale 19. Jahrhundert, als die Schweiz aufgrund ihres Wohlstandes und ihrer politischen Freiheiten zu einem Sehnsuchtsland für Menschen aus ganz Europa wurde. Das 20. Jahrhundert war im Sinne des Wortes der heisse Sommer der Schweiz, als die Länder Europas in Kriegen verbrannten. Das bedeutete aber auch den Aufstieg der Schweiz zu einer wirtschaftlichen und intellektuellen Grossmacht. Von Dada bis Dürrenmatt kamen wichtige Anstösse aus unserem Land. Der Herbst der Schweiz bedeutet einen grossen Kontrollverlust über Wirtschaft und Politik. Des Schweizers Schweiz schrumpft, sie wird zur B-Schweiz, während die A-Schweiz der globalen Konzerne und Dienstleister sich ausdehnt. Über 90% der Bevölkerung empfinden dies als Absterben alter Sicherheiten und Gewohnheiten. Die Sehnsucht nach einem neuen Frühling der B-Schweiz wächst.

Xecutives.net: Die Schriftzeichen „La Suisse n’éxiste pas“ am Schweizer Pavillon angebracht, führte 1992 zu einem wahrhaftigen Schweizer Shitstorm, worüber Sie im Buch treffend berichten und worüber sich die Spanier und die anderen Besucher sehr amüsierten. Es dürfte die einzige PR-Aussage sein, die heute noch alle Besucher der Weltausstellung kennen. Hier trifft PR auf Kunst und umgekehrt. Was macht diesen Satz aus PR-Sicht für die Schweiz so brisant?

Klaus J. Stöhlker: „La Suisse n’éxiste pas“ drückt genau jenen Wandel aus, der von den Politikern geleugnet, von immer grösseren Teilen des Volkes aber erlebt oder als Gefahr empfunden wird. Tatsächlich steckt in immer mehr, was sich schweizerisch nennt, ein ausländischer Kern. Toblerone klingt schweizerisch, ist aber eine ausländische Firma. Die grössten Banken der Schweiz, die grössten Industrie-, Handels- und Dienstleistungskonzerne des Landes stehen finanziell unter ausländischer Kontrolle oder werden von Ausländern geführt. Das bedeutet „La Suisse n’éxiste pas“.

Xecutives.net: Was sich einmal bewährt hat, muss überdacht werden, so wie das auch bei den von Ihnen beschriebenen Banken-Aktivitäten der Fall war und ist. Was müsste die Schweiz tun, um Ihres Erachtens wieder zum „Sommer“ zu finden?

Klaus J. Stöhlker: Viele Schweizer erleben auch jetzt einen Sommer, sofern sie in florierenden Konzernen oder gut gehenden KMU tätig sind. Sofern Sie, was nicht selten ist, über ein selbst verdientes oder geerbtes Vermögen verfügen, leben auch sie im Lichte des Sommers. Wer diesen Vorzug nicht hat, muss auf Investitionen warten, die im eigenen Land wieder zu Arbeitsplätzen führen. Unsere Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über acht Prozent; das ist nicht wenig. Jedoch, viele Pensionsgelder und andere Schweizer Vermögen werden nicht im eigenen Land, sondern im Ausland investiert. Die Schweiz braucht einen neuen Investitions-Zyklus im eigenen Land; dies bringt einen neuen Frühling mit sich. Für viele Branchen würde es sich auch lohnen, dynamischer und unabhängiger zu denken, so der Tourismus, viele Dienstleistungen und die Infrastruktur-Industrie.

Xecutives.net: Im Buch erzählen Sie die Anekdote über einen Banker, der im Geschäftsbericht das Wort „Gewinnmaximierung“ verwenden wollte. Sie empfahlen ihm „Gewinnoptimierung“ zu wählen, obwohl Ihnen vollkommen klar war, dass im extremen Mass Gewinnmaximierung betrieben wurde – mit bekannten Resultaten in der Bankenwelt. Was geht einem als PR-Berater in solchen Momenten durch den Kopf, wenn man mal nicht an PR denkt?

Klaus J. Stöhlker: Eigentlich habe ich innerlich nur gelacht, als ich den Zwiespalt sah, in welchem sich der sehr seriöse alemannische Bankier befand. Mir ist bekannt, dass drei von vier Topmanagern oder Unternehmern die Gewinne maximieren wollen. Was bleibt ihnen sonst übrig?! Diesen Vorgang „optimieren“ zu nennen, um damit auszudrücken, dass man bereit ist, gewisse Rücksichten zu nehmen, ist eine Art sozialer Anpassung, mehr aber auch nicht. Die Schweiz ist ein hoch kapitalistisches Land, wo es darum geht, für das investierte Geld einen laufenden Mehrwert zu schaffen. Dies geht ohne eine risikobewusste Gewinnmaximierung nicht.

Xecutives.net: Nun sind Sie selber ein Experte in Sachen PR und haben Ihr ganzes Leben lang anderen Menschen geholfen, Ihre Pläne und Absichten zu verwirklichen, im Wissen, dass vieles nur Schall und Rauch war, sprich die PR-Nachricht oft nichts mit der Realität zu tun hat. Warum sollen wir also gerade Ihren Aussagen im Buch Glauben schenken?

Klaus J. Stöhlker: Es gibt viele ehrliche Menschen in der Schweiz wie andernorts. Sie haben ein ganz anderes Problem: Sie müssen sich gegen Konkurrenten aller Art national und global durchsetzen, die oft nicht weniger fähig und oft noch viel raffinierter sind. Keine Branche ist davon ausgenommen, die Bauern so wenig wie die Hoteliers, die Viehhändler so wenig wie die Anbieter von ETF’s. Die Menschen wollen nicht lügen, aber sie brauchen eine Technik des Anbietens und Verkaufens, die konkurrenzfähig ist. Wer diesen schmalen Grat zwischen Vision und Halluzination nicht gehen kann, wird im Konkurrenzkampf rasch verlieren. Als PR-Berater beobachte ich meine Klienten wie es ein Bergführer tut. Ich will, dass sie oben an- und wieder zurückkommen. Oft kenne ich den besseren Weg und bin damit als Bergführer-Berater erfolgreicher als andere. Das ist das ganze Geheimnis.

Xecutives.net: Sie sind nicht der einzige, der dunkle Wolken beschreibt, die über die Schweiz hinwegziehen. Prof. Dr. Heinz Riesenhuber aus dem Deutschen Bundestag, Bundesminister a.D., hat auf grosse Herausforderungen aufmerksam gemacht, mit denen wir uns in der Schweiz und in Deutschland auseinandersetzen sollten. Er berichtete über eine Umfrage unter Studenten, die ergab, dass über 65% in den öffentlichen Dienst arbeiten gehen möchten. Sind wir damit schon auf dem Weg zum „Winter“ in Deutschland und in der Schweiz, wo wohl kein anderes Resultat zu erwarten wäre?

Klaus J. Stöhlker: Die staatliche Verwaltung ist bei uns auf allen Stufen sehr gross und mächtig geworden. Sie zahlt auch, im Unterschied zur Zeit vor 50 Jahren, ausgezeichnete Saläre, die jene der Privatwirtschaft oft übersteigen. Die Sozialleistungen des Staates sind meist besser als die privater Unternehmen; der Arbeitsdruck ist geringer. Ja, der unternehmerische Geist unseres Landes, wie er in dessen Frühling vorhanden war, droht verloren zu gehen. In den USA war es die US-Armee, die Silicon Valley und dessen Unternehmen zu gut 30% finanzierte. Bei uns sind es die Hochschulen, aber deren Wissen wandert meist ins Ausland ab. Zudem ist unser Schweizer Volk überaltert. In der Folge sitzt man auf seinen Ersparnissen, ohne nennenswert zu investieren. Es fehlt zudem an mutiger Jugend. Wo sie sich zeigt, wird sie auch nicht ermutigt. Wer es dennoch schafft, wie der Rapperswiler Informatik-Student Marcel Dobler, der die Digitec AG gründete, muss überaus hart und klug arbeiten, viele Hindernisse überwinden können, um sein Ziel zu erreichen. Das sind Ausnahmen.

Xecutives.net: Im Buch beschreiben Sie Gespräche und Zusammenkünfte mit bekannten Managern, Politikern und Unternehmern, die Sie haben beraten und kennenlernen dürfen. Wer hat Sie im besonderen Masse überzeugt oder geprägt?

Klaus J. Stöhlker: Von den Konzernchefs ist Helmut Maucher, der Nestlé für die Schweiz rettete, ein grosses Vorbild geblieben. Der Zolliker Unternehmer Ueli Bremi verstand es meisterhaft, gleichzeitig den auch heute noch erfolgreichen Kaba-Konzern und eine grosse politische Karriere in Bern bis hin ins Präsidium des Nationalrats aufzubauen. Heinrich Villiger, der Schweizer Cigarrenproduzent, sitzt mit 85 Jahren noch glücklich an seinem Schreibtisch. FIFA-Präsident Sepp Blatter hat einen Weltkonzern aufgebaut, um den er nun kämpfen muss. Peter Spuhler, der Bahnunternehmer aus dem Thurgau, ist ebenso eindrücklich wie das Ausnahmetalent Dr. Christoph Blocher, bei dem alle „Frühlings“-Instinkte lange Zeit lebendig geblieben sind. Wir haben in der Schweiz, gerade deshalb ist sie das schönste Land der Welt geworden, sehr viele Talente. Ob sie auf Dauer durchhalten und Früchte tragen für die ganze Gesellschaft, das wird sich zeigen. Es lohnt sich, ihre Leistung anzuerkennen.

Xecutives.net: Sehr geehrter Herr Stöhlker, ich bedanke mich für dieses Interview und wünsche Ihnen privat als auch beruflich weiterhin alles Gute!

(C) 2015 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet.

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