Gérard Goetti

Gérard Goetti

Gérard Goetti, Jahrgang 1946, gehört zu den wenigen Personen in der Schweiz und in Deutschland, die sich mit Leib und Seele dem Dudelsackspielen und weiteren schottischen Traditionen wie dem Whisky verschrieben haben. Er war 1978 Gründungsmitglied der Pipes and Drums of Basel. Zu seinen Lehrern gehörte unter anderen Ruthven Milne aus Blairgowrie in Schottland, eine lebende Dudelsacklegende. Gérard Goetti ist unter anderem Life Member des Clan MacDonald Land Trust, Patron des Scottish Fiddle Orchestra, Mitglied des Scottish National Trust, der Royal British Legion und des Royal Scots Club. Nach Teilnahmen an Pipefesten in Paris, New York, Edinburgh, Halifax und Osaka hat sich Gérard Goetti vor rund zwei Jahren entschlossen, auch ein Pipefest in der Schweiz (Basel) zu organisieren. Am 18. Juli 2009 werden in Basel Hundertschaften von Dudelsackspielern aus der ganzen Welt erwartet. Gérard Goetti antwortet im folgenden Beitrag auf Fragen gestellt von Christian Dueblin. Er spricht von seiner Leidenschaft für den Dudelsack sowie dessen Geschichte und gibt Auskünfte über das bevorstehende Pipefest in Basel.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Goetti, für den 18. Juli 2009 haben Sie ein Pipefest in Basel organisiert. Es sieht so aus, als würden hunderte von Dudelsackspielern nach Basel kommen. Kurt H. Illi hat in seinem Interview mit Xecutives.net betont, dass solche Veranstaltungen für den Schweizer Tourismus äusserst wichtig seien und gepflegt werden sollten. Er meinte, es müsse nicht immer ein Marathon sein, von denen es schon in fast jeder Stadt einen gebe. Mit dem Pipefest dürften Sie bei ihm ins Schwarze treffen. Basel darf sich rühmen, eine der wenigen Städte zu sein, die einen solchen Anlass durchführten. Wie kam es zu dieser Idee, ein Pipefest in Basel abzuhalten? Wurden Sie vom schon sehr bekannten Basler Tattoo inspiriert?

Gérard Goetti: Ich habe im Jahr 2005 am Edinburgh Pipefest teilgenommen, mit etwa 13’000 Teilnehmern das grösste aller Zeiten. Bei dieser Gelegenheit ist mir die Idee gekommen, dass so etwas auch einmal in Basel stattfinden sollte. Ich habe dann 2007 in Halifax Thomas Grotrian kontaktiert. Er ist Marketing Director des Halifax Tattoo und einer der Initiatoren der Idee der Pipefests. Anschliessend habe ich mit der Vorbereitung begonnen und zusammen mit Magnus Orr in Edinburgh den „administrativen“ Grundstein gelegt. Magnus Orr ist verantwortlich für die weltweite Ausschreibung und die gesamte Registration der Pipefests. Das ‚Basel Tattoo‘ hat mich in diesem Sinn nicht direkt inspiriert, aber doch in der Idee bestärkt, ein solches Festival in Basel durchzuführen. Die hervorragende Zusammenarbeit mit ‚Basel Tattoo‘ und dessen grosse Unterstützung sind ein wichtiger Garant für den Erfolg des Pipefests in Basel.

Gerard Goetti am Dudelsack

Gerard Goetti am Dudelsack

Dueblin: Das Patronats-Komitee ist mit interessanten Persönlichkeiten besetzt, die sich für das Festival stark machen. Es finden sich darin Regierungsräte aus den Kantonen Basel und Basel-Landschaft aber auch Frau Gudrun Heute-Bluhm, Oberbürgermeisterin von Lörrach (D,) und Monsieur Jean Ueberschlag, Député-Maire von Saint-Louis (F). Sind alle Personen in diesem Komitee auch Dudelsackspieler und Schüler von Ihnen? Werden wir die Damen und Herren in Kilt und mit Dudelsack sehen können?

Gérard Goetti: Wir werden sicher Dr. Alan Chalmers, den britischen Honorarkonsul in Basel, im Kilt bewundern dürfen. Er ist ebenfalls im Patronats-Komitee. Mit einem Dudelsack habe ich ihn allerdings noch nie angetroffen. Ich kenne Regierungsrat Adrian Ballmer als grossen Freund Schottlands. Von Frau Gudrun Heute-Bluhm weiss ich, dass ihre Bewunderung eher den Indianern Nordamerikas gehört als den schottischen Hochländern, aber vielleicht ändert sich dies nach dem Pipefest. Die Damen und Herren des Patronats-Komitees sollen die Region repräsentieren und dem karitativen Ziel des Pipefests verbunden sein. Als Schüler wären sie mir natürlich jederzeit herzlich willkommen!

Dueblin: Was können wir im Besonderen vom Pipefest erwarten?

Gérard Goetti: Die Parade wird ohne Zweifel einer der grössten Anlässe dieser Art, der je in Basel stattgefunden hat. Der Entscheid von Erik Julliard, Producer des ‚Basel Tattoo‘, seine Tattoo Parade mit der Pipefestparade zu vereinigen, wird uns ein unvergessliches Erlebnis bescheren. Erik Julliard hat in seiner Pressekonferenz bereits die Teilnehmer des ‚Basel Tattoo‘ vorgestellt. Es wird grossartig werden! Seitens des Pipefests stellen wir Piper, Drummer und Drum Majors in grossen Verbänden. Ein 500 Personen starkes Kontingent von Jungmusikern aus Baden, dem Elsass und den beiden Basel wird als zusätzlicher regionaler Beitrag zu bewundern sein. In der Stadt wird es summen wie in einem Bienenschlag. Bis heute haben sich sechshundertachtzig Piper und Drummer aus der ganzen Welt angemeldet. Wir freuen uns ganz besonders, dass mit Drum Major Brian Wilson aus Nordirland der World Champion der Jahre 2007 und 2008 in Basel sein wird. Ebenfalls hat sich die Pipe Band ‚Mains of Fintry‘ angemeldet. Diese Pipe Band hat an den olympischen Spielen in Peking während des Einmarschs der Athleten gespielt. Auch Magnus Orr hat sich für Basel registriert.

Pipefest Basel 2009

Pipefest Basel 2009

Dueblin: Hinter den Pipes steckt auch eine gewisse Lebenseinstellung. Immer mehr Menschen, auch in der Schweiz, gründen Clubs, tragen Kilt und spielen Pipes. Was ist der besondere Reiz für diese Menschen, sich mit der schottischen Kultur auseinanderzusetzen?

Gérard Goetti: Mir ist auch nicht ganz klar, was die enorme Breitenwirkung ausgelöst hat. Ohne Zweifel ist der Dudelsack ein faszinierendes Instrument und der Kilt höchst kleidsam. Aber genügt das als Erklärung? Vielleicht revoltieren in uns Schweizern ein paar keltische Gene oder wir kompensieren unsere republikanische Farblosigkeit?

Dueblin: Es ist faszinierend diese Dudelsackformationen zu hören. Sie lassen einen aber auch etwas das Blut in den Adern gefrieren, wenn man bedenkt, dass es sich ursprünglich um Kriegsmusik handelte, die als Begleitmusik für schottische Schlachten diente, um die eigenen Kämpfer zu motivieren und den Feind einzuschüchtern. Können Sie uns etwas über die Entstehung und Ursprünge der Pipes erzählen?

Gérard Goetti: Der Dudelsack ist ohne Zweifel eines der ältesten bekannten Instrumente. Seine Ursprünge liegen wahrscheinlich in Kleinasien. Nach den Aegyptern übernahmen später Griechen und Römer dieses Instrument und verbreiteten es durch ihre Invasionen in ganz Europa. Der Dudelsack war im Mittelalter eines der meistgespielten Instrumente der Minnesänger. Es wurden verschiedene Formen von Dudelsäcken entwickelt, die bis ins neunzehnte Jahrhundert sehr populär waren. Später verlor der Dudelsack an Bedeutung. Neue Instrumente kamen in Mode und durch die Verstädterung löste die Hausmusik das Musizieren im Freien ab. Ausser im Süden Europas und in der Bretagne gerieten die Dudelsäcke in Vergessenheit.

Nicht so in Schottland. Im schottischen Hochland lebten die Menschen in kriegerischen Clan-Gesellschaften. Dort erhielt sich das weittragende Instrument. Die Clanführer hielten sich ihren eigenen Piper, ein wichtiges Amt, das in der Regel mit den Kenntnissen des Instrumentenbaus und der Spielweise vererbt wurde. In Schottland wurde das Instrument durch das Hinzufügen zusätzlicher Dronen weiterentwickelt. Nach der Niederschlagung der Jakobitenaufstände im Jahre 1745 wurde das Tragen des Kilts verboten. Neben anderen schottischen Traditionen wurde auch der Dudelsack ein Opfer dieses englischen ‚Disarming Acts‘. Als später die Gesetze wieder gelockert wurden, kam der Dudelsack wieder zu seinen alten Ehren. Nun wurden auch Schulen gegründet und Wettbewerbe veranstaltet. Die Musikstücke wurden nun auch erstmals in Noten gesetzt. Durch die massive Emigration nach den Highland Clearances verbreitete sich der Dudelsack mit den anderen Ausprägungen der schottischen Kultur über die ganze Welt. Zudem begleitete der Dudelsack die schottischen Regimenter der britischen Armee in die ganze Welt und wurde auch in aller Regel das favorisierte Instrument der nativen Militäreinheiten.

Dueblin: Unterscheiden sich die Instrumente heute von den ursprünglichen Pipes, wie sie von den Schotten vor vielen hundert Jahren gebraucht wurden?

Gérard Goetti: Wie schon erwähnt wurden zusätzlich eine weitere Tenordrone und eine zusätzliche Bassdrone hinzugefügt. In dieser Form blieb der Dudelsack lange Zeit unverändert. Erst in der Neuzeit wurden vor allem im Materialbereich wichtige Verbesserungen vorgenommen. Der schwierig zu handhabende Ledersack wurde durch einen pflegeleichten und dichteren Sack aus Goretex ersetzt. Die aus Bambus gefertigten Drone-Reeds, die der eigentlichen Tonerzeugung dienen, wurden durch einfacher einzustimmende Kunststoff- und Metall-Reeds ersetzt. Für die Dronen selbst und die anderen Bestandteile werden anstelle des teuren und immer seltener erhältlichen Blackwoods ebenfalls in zunehmendem Mass Kunststoffe verwendet. Die Verzierungen, die früher aus Silber und Elfenbein gefertigt wurden, sind heute vor allem aus Kunststoffen und Nickel.

Dueblin: Können Sie uns erklären, wie ein Dudelsack funktioniert?

Gérard Goetti: Durch das Mundstück wird Luft in den Sack geblasen. Mittels der einströmenden Atemluft und durch Pressen des Oberarms wird ein gleichmässiger Druck erzeugt, der die drei Dronen und die Melodiepfeife zum Singen bringt. Durch das unablässige Strömen der Luft sind Pausen und das Spielen von Stakkato gleichermassen unmöglich. Rhythmik und Dynamik erreicht man durch die sogenannten Gracenotes. Gracenotes sind eine Abfolge extrem schnell gespielter Töne vor dem eigentlichen Melodieton.

Dueblin: Pipefeste haben schon in anderen Städten stattgefunden, so etwa in Edinburgh und in Osaka. Wie haben die Pipers reagiert, als sie hörten, dass ein solcher Anlass auch in Basel stattfinden soll?

Gérard Goetti: Basel ist natürlich bei den wenigsten Pipern ein Begriff. Es wird ungleich schwieriger sein, sie nach Basel zu bringen als etwa nach Edinburgh, New York, Chicago oder Paris. Aber wir haben über fünfhundert Einladungs-Packages an Pipe Bands in alle Welt versandt und etwa gleich viele elektronische Einladungen per E-Mail. Dazu kommen natürlich die persönlichen Kontakte bei den letzten Pipefesten. Die meisten meiner Freunde vom Pipefest in Osaka haben sich registriert!

Dueblin: Beabsichtigen Sie, weitere solche Festivals zu organisieren?

Gérard Goetti: Ich weiss nicht, ob ich nochmals ein Pipefest organisieren werde. Wiederholungen sind eigentlich nur in Edinburgh denkbar, der Stadt aller Städte für Piper. Aber man soll nie zu früh nein sagen!

Basel Tattoo Parade 2008 (c) Basel Tattoo

Basel Tattoo Parade 2008 (c) Basel Tattoo

Dueblin: Die Organisation eines Anlasses wie des Pipefests in Basel funktioniert nur, wenn alles tadellos geplant ist. Wie haben Sie sicher gestellt, dass sich die Pipers aus der ganzen Welt in Basel wohlfühlen werden?

Die Parade-Route in Basel ist eine der schönsten, die man sich vorstellen kann und das Interesse und die Begeisterung der Zuschauer in Basel werden für alle Teilnehmer unvergesslich sein. Am Abend haben wir zudem eine grosse Post Parade Party in den Hallen der Messe Basel geplant. Zu diesem Fest ist auch die Bevölkerung herzlich eingeladen. Wir werden einiges an regionaler und schottischer Kultur vorzeigen können. Als besonderer Leckerbissen bieten wir allen Teilnehmern die Möglichkeit, eine Spezialvorstellung des ‚Basel Tattoo‘ zu ermässigten Preisen zu besuchen.

Dueblin: Sie haben sich entschlossen, das Festival für karitative Zwecke zu nutzen. Was ist der Grundgedanke hinter diesem in einem gewissen Sinne philanthropischen Anlass?

Gérard Goetti: Es war die ursprüngliche Idee von Thomas Grotrian und Magnus Orr, den musikalischen Spass eines Pipefests mit einer karitativen Tätigkeit zu verbinden. Die Mutter von Thomas ist im „Marie Curie Cancer Fund“ tätig, weshalb es wohl zu der Verbindung mit der Krebshilfe gekommen ist. Da wahrscheinlich jeder Pipefest-Teilnehmer schon Verwandte oder Freunde durch diese tückische Krankheit verloren hat, tut sich bestimmt niemand schwer mit diesem Engagement.

Dueblin: Es sind auch Whisky-Events geplant, so beispielsweise Whisky-Degustationen von und für Frauen und eine eigene Pipefest Whisky-Abfüllung. Sind Piper und Piperinnen harte Whisky-Trinker?

Gérard Goetti: Nicht unbedingt, aber es gibt keinen Whisky ohne Schottland und kein Schottland ohne Whisky. Whisky geniessen ist ein wichtiger Bestandteil der schottischen Kultur, der bestimmt von vielen Pipern mit besonderer Freude gepflegt wird, so auch in Basel.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Goetti, ich bedanke mich für die Beantwortung dieser Fragen und wünsche Ihnen und dem Pipefest Basel alles Gute und viel Erfolg!

(C) 2009 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet.

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Links
Pipefest International (Announcement and registration)
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Pipes and Drums of Basel