Dr. Marc Faber, Jahrgang 1946, auch unter dem Namen „Dr. Doom“ bekannt, ist ein Schweizer Volkswirtschafter und Betriebswirtschafter sowie Unternehmer, der sich in den letzten 40 Jahren intensiv mit den Finanzmärkten auseinandergesetzt und in den Medien, an Kongressen aber auch an Hochschulen auf der ganzen Welt ein gerne gesehener und kritischer Gast ist. Seine Gabe, Krisen und Probleme, aber auch Chancen vorherzusehen, hat ihn weltweit sehr bekannt gemacht. 1990 gründete Dr. Marc Faber die Investmentgesellschaft Marc Faber Ltd. mit Sitz in Hongkong. Mit seinen „Gloom, Boom and Doom-Reports“ (GBD Reports, www.gloomboomdoom.com) erreicht er heute Zehntausende interessierte und mit Finanzfragen beschäftigte Menschen rund um dem Globus. Dr. Marc Faber lebt seit 40 Jahren in Asien und spricht im Interview mit Christian Dueblin über die Krise und die fehlerhaften Methoden, mit denen diese überwunden werden soll. Staatliche Eingriffe in bankrotte Firmen, Banken, aber auch die Unterstützung von Ländern wie Griechenland seien grosse Fehler, denn sie seien nichts anderes als eine Freikarte, um beim schlechten und risikoreichen Geschäften wieder gerettet zu werden. Die momentanen geldpolitischen Entwicklungen vor allem auch in den USA würden gezwungenermassen eine weitere Krise verursachen – dieses Mal aber wegen Ländern, die pleite gingen.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Dr. Faber, was hat Sie als gut ausgebildeter und erfolgreicher Manager vor rund 40 Jahren bewogen, der Schweiz den Rücken zu kehren und Ihre Zelte in Asien aufzuschlagen und dort Geschäfte zu machen?

Dr. Marc Faber: Ich habe in der Schweiz Volks- und Betriebswirtschaft studiert. Dabei habe ich mich auch sehr mit Wirtschaftsgeschichte befasst, vor allem mit der Finanzgeschichte. Nach meinem Studium schrieb ich eine Dissertation über Robert Peel. Er war ein englischer Staatsmann, der 1842 in England die Einkommenssteuer einführte und die Corn Laws abschaffte. Er war somit wesentlich dafür verantwortlich, dass England vom Protektionismus in den Freihandel wechselte. Deshalb studierte ich auch an der London School of Economics und schrieb Teile meiner Dissertation in Edinburgh. Ich schloss meine Dissertation später in Zürich ab.

Ich wollte schon immer ins Ausland. Nach einem privilegierten Studentenleben – ich wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf und fuhr Skirennen – wollte ich in eine Welt gehen, in der ich niemanden kannte. Auch wollte ich nicht einfach auf eine Schweizer Bank gehen und in der Schweiz Manager werden. Ich suchte deshalb eine Stelle, die es mir ermöglichte, baldmöglichst für eine Ausbildung ins Ausland zu ziehen. Ich fand diese bei einer Anlagenbank, die damals White Weld & Company hiess. Oswald Grübel, der heutige CEO der UBS, war übrigens auch für dieses Unternehmen tätig. Ich hatte bei dieser Firma die Möglichkeit, mich zum Börsenmakler auszubilden und baute später das Asien-Geschäft auf. 1978 wurde White Weld & Company von Merryll Lynch gekauft, für die ich aber nicht arbeiten wollte, worauf ich bei Drexel Burnham Lambert in Singapur und Hongkong als Managing Director einstieg. Im Jahr 1990 gründete ich schliesslich mein eigenes Unternehmen, die Investmentgesellschaft Marc Faber Ltd. mit Sitz in Hongkong.

Dueblin: Ist Ihre Fähigkeit, die wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhänge schneller zu verstehen als andere Menschen auch ein Resultat Ihrer Wirtschaftsgeschichts-Studien? Ist es das ständige Vergleichen mit der Geschichte und den aktuellen Vorkommnissen, das Ihre Treffsicherheit bei der Vorhersage von Krisen in der Zukunft ausmacht und Sie von „normalen“ Analysten unterscheidet?

Dr. Marc Faber: (Lacht) Ich habe natürlich auch Dinge vorausgesagt, die dann nicht eintrafen, oder mich im Zeitrahmen geirrt. Ich denke, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte und insbesondere der Wirtschaftsgeschichte einen sehr wichtigen Faktor bei meiner Arbeit darstellt. Das Erkennen der Zusammenhänge ist mir sicher durch meine Studien einfacher gefallen. Oft ist es jedoch nicht das Vorhersehen, dass etwas passiert, das schwierig ist, sondern erahnen zu können, wann es passiert. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass es unter den heutigen Zeichen und Voraussetzungen noch einmal zu einer Krise kommen wird, als Resultat aus dem Umgang mit der jetzigen Krise. Das steht absolut fest. Zwischen heute und der Krise können die Börsenkurse aber noch einmal 100% oder auch 500% ansteigen.

Die Wirtschaftsgeschichtsstudien und meine Lebens- und Arbeitserfahrung haben mich auch gelehrt, dass man mit einer Einschätzung grundsätzlich Recht haben kann, bis man aber Recht bekommt, kann man auch pleite sein, weil man zu früh die falschen Massnahmen getroffen hat. Es ist auch immer leicht gesagt, alles sei überbewertet. Schauen Sie, was in Bezug auf die Technologie im Jahr 1998 und später alles passiert ist. Investierte ein Anlagenberater zu diesem Zeitpunkt nicht in Technologie, konnte es passieren, dass alle Konkurrenten investiert haben, die Technologiewerte sich noch eine Weile vervielfachten und Sie schliesslich verloren, weil Sie den technologischen Anschluss verpassten. Bei einem Anlagenberater, der den Zeitpunkt falsch eingeschätzt hat, sind die Kunden die Verlierer. Darum ist das Anlagengeschäft sehr schwierig.

Dr. Marc Faber in seiner Bibliothek (c) Marc Faber

Dr. Marc Faber in seiner Bibliothek (c) Marc Faber

Dueblin: Sie haben in Interviews in den letzten Monaten sehr dezidierte Aussagen gemacht und auch in Ihrem GBD Report darauf hingewiesen, dass grosse gesellschaftliche Veränderungen zu erwarten sind und möglicherweise auch mit Krieg gerechnet werden muss. Das sind keine guten Neuigkeiten.

Dr. Marc Faber: Wir haben grosse wirtschaftliche Missstände erlebt; ich spreche auch vom Jahr 2008, vor allem in Bezug auf ein zu grosses Kreditwachstum und eine zu expansive Geldpolitik in den USA. Die daraus resultierende Krise hätte ein halbes Jahr früher oder später stattfinden können. Es war aber klar, dass sie stattfinden musste. Genau so klar ist es, dass es eine nächste Krise geben wird. Die Wirtschaftskrise wurde teilweise vermeintlich gelöst, indem man die faulen Kredite des Privatsektors auf die Staaten abwälzte. Das veranlasste die Regierungen weltweit, grosse Finanzdefizite zu schaffen und eine expansive Geldpolitik zu betreiben. Mit diesen Vorgehensweisen kann man diese Krise aber nur verschieben, nicht aber permanent lösen, was sinnvoller und nachhaltiger gewesen wäre.

Dueblin: Thomas M. Hoenig, der Notenbankchef von Kansas City (USA), hat vor Kurzem harsche Kritik an der Geld- und Zinspolitik der Federal Reserve (FED) in den USA geäussert. Seine Kritik richtete sich an die Herren Greenspan und Bernanke, denen er vorwarf, zu billiges Geld auf den Markt gebracht zu haben und zu bringen.

Dr. Marc Faber: Man muss sich vorstellen, dass ein Leitzinssatz von 1%, den Herr Hoenig vorschlägt, immer noch unter der Inflationsrate liegt, wenn man diese denn richtig berechnet. Hoenig ist das wohl konservativste Mitglied des FED. Alle anderen, auch Janet Yellen von der Federal Reserve Bank of San Francisco, die jetzt unter Obama zur stellvertretenden Notenbankchefin der USA erkoren wurde, vertreten die Ansicht, es könnte auch Zinsen geben, die unter 0 sind. Bernanke wird die Zinsen deshalb weiterhin bei 0 und auch unter 0 halten. Es wird passieren, was schon 2006 passiert ist. Die Leitzinsen stiegen damals von 1% im Juni 2004 auf über 5% im Sommer 2006. Das tönt nach einem hohen Zins. Real gemessen, also im Vergleich zur Inflation, waren diese vermeintlich hohen Zinsen aber immer noch negativ. Es gab keine restriktive Geldpolitik, die dringend nötig gewesen wäre, um die Verlangsamung des Kreditwachstums herbeizuführen. Von 2001 bis 2006 hat sich das Kreditwachstum in den USA deshalb wahnsinnig vergrössert, was schliesslich zum Kollaps führte.

Dueblin: Was hat das für Konsequenzen auf die Wirtschaft in den USA und auf die Arbeitslosenzahlen?

Dr. Marc Faber: Ich gehe davon aus, dass in den USA die Anzahl der Arbeitslosen relativ hoch bleiben wird. Es kommt aber auch hier sehr darauf an, wie man die Arbeitslosenzahl berechnet. Sie liegt je nach Messmethode wohl zwischen 10% und 20%. Ich denke nicht, dass sie in den nächsten Monaten stark fallen wird. Diese Situation des grossen „Unemployment“ wäre wohl noch schlimmer, wenn nicht so viele Menschen in den Krieg nach Afghanistan und nach Irak gesendet worden wären und die Anzahl der Staatsangestellten nicht so stark angewachsen wäre. Die Transfer Payments, also die Regierungsgelder, die an Arbeitslose verteilt werden – es handelt sich um nichts anderes als Subventionen und Pensionszahlungen – machen zwischenzeitlich rund 20% der persönlich verfügbaren Einkommen in den USA aus. Das ist die höchste Transfer Payment-Zahl, die es je gegeben hat. Das sind keine guten Vorzeichen für die amerikanische Wirtschaft. Mit Gelddrucken kann man den drohenden Prozess eine gewisse Zeit hinausschieben und es kann gar zu kleinen Minibooms kommen.

Dueblin: Was wird Ihres Erachtens nach dem Miniboom passieren?

Dr. Marc Faber: In dieser kurzen Phase, die nicht anhaltend sein wird, wird alles wieder ansteigen, teilweise sehr stark. Die Aussichten für die Preise von Rohstoffen, Aktien, Edelmetallen, aber auch Kunst sehen dann eine gewisse Zeit etwas besser aus. Der Durchschnittshausalt wird jedoch von diesen Minibooms nicht profitieren, denn er leidet am meisten unter den Inflationsraten, die teilweise gar nicht gemessen werden. Denken Sie nur an erhöhte Versicherungsprämien oder erhöhte Abgaben an die Regierungen – allem voran die Steuern, die steigen müssen, weil die Kassen leer sind. Denken Sie aber auch etwa an die erhöhten Kosten im Gesundheitswesen und Abstriche bei der staatlichen Bildung, die Familien möglicherweise mit Privatschulen oder Privatuniversitäten ausgleichen wollen. Diese Faktoren sind in den Inflationsberechnungen oft nur schlecht oder auch gar nicht erfasst, weil die Regierungen an diesen richtigen Zahlen kein Interesse haben. Der Lebensstandard des Durchschnitthaushaltes wird also in der Zeit des Minibooms eher fallen als steigen. Die Haushaltsdefizite werden immer grösser werden. Irgendwann gehen auf den langfristigen Obligationen die Zinsen rauf. Die Zinszahlen auf der Staatsschuld gehen ebenfalls rauf, weil die Staatsschuld und auch die Zinsen steigen. Das resultiert in einem gewaltigen Problem, in dem die Staaten nur noch Geld drucken können. Man nennt das in der Fachsprache die „Moneytarisation“. Als Konsequenz dieser Moneytarisation werden die Währungen schwächer. Das geht nicht nur in den USA mit dem Dollar so, sondern geschieht auch in anderen Ländern.

Dueblin: Wie wirkt sich eine schwache Währung konkret aus?

Dr. Marc Faber: Stellen Sie sich einen Anleger vor, der eine Million Franken hat. Im Normalfall fährt er das kleinste Risiko, wenn er das Geld zuhause im Safe aufbewahrt. Kauft er Obligationen, wird das Risiko etwas erhöht. Aktien und Rohstoffe sind hingegen viel risikoreicher. In einem Umfeld dagegen, in dem wie zurzeit in den USA Geld in grossen Mengen gedruckt wird, werden die kurzfristigen Zinsen unter der Inflationsrate gehalten, damit die Menschen ihr Geld ausgeben und auf den Markt bringen. Man will die Menschen davon abhalten, ihr Geld zu horten. Unter diesen Umständen ist Bargeld zu haben sehr gefährlich. Eine Million könnte in 10 Jahren viel weniger Kaufkraft haben und nur noch einen Bruchteil wert sein. Sie bezahlen dann für Gold oder für ein Haus ein Mehrfaches. Das ist aber nicht der Sinn des Geldes. Es soll seine Kaufkraft nicht verlieren. Es muss den Handel von Gütern und Dienstleitungen ermöglichen, also die Tauschfunktion gewährleisten. Eine andere Funktion des Geldes ist aber eben auch die Werterhaltung, der sogenannte Store of Value. Eine dritte Funktion des Geldes ist, eine buchhalterische Einheit zu sein. Wenn man inflationsbereinigt negative Zinsen hat, dann verliert das Geld diese Funktionen. In diesem Fall muss der Anleger sich andere Strategien überlegen, um sein Geld anzulegen. Langfristig ist für ihn Bargeld kein Thema mehr. Er kauft anderes, das nicht an Wert verliert. Diese Vorgänge führen zu einer sehr volatilen Zeit, die mit viel Unsicherheit belastet ist. Die Spekulationen werden zunehmen und es kommt zu neuen Einbrüchen in Unternehmen.

Dueblin: Die USA scheinen mit der Geldpolitik von China grosse Probleme zu haben. Unlängst ist der amerikanische Finanzminister Timothy F. Geithner in China aufgetreten und hat die chinesische Regierung noch einmal gebeten, den Yuan aufzuwerten, was diese offensichtlich aber nicht vorhat (s. Die Welt, 9. April 2010, Seite 15). Man scheint die Ursache für die Probleme in anderen Ländern zu suchen. Was steckt hinter dem unterbewerteten Yuan?

Dr. Marc Faber: Die amerikanische Regierung hat schon früher für eigene Fehler Sündenböcke gefunden. Diese Vorgehensweise resultierte auch in Kriegen. Man denke an die Kriege in Afghanistan und im Irak. Ich habe kürzlich über die Unterbewertung des Yuan geschrieben. Der Yuan wurde 1994 an die amerikanische Währung gebunden. Bis ca. 1999 hat das gut funktioniert. Danach ist in den Augen der Amerikaner der Yuan unterbewertet gewesen. Man kann das aber auch ganz anders sehen: Durch die finanzpolitischen Massnahmen der Amerikaner wurde ein Umfeld kreiert, in dem der Dollar überbewertet wurde und in dem der Verbrauch als Prozent des Bruttosozialprodukt zwischen 1998 und 2008 von 70% auf 78% angestiegen ist. Aufgrund dieses Überkonsums kam es zum Wachstum des sehr hohen Handelsbilanzdefizits der USA. Es ist also leicht zu sagen, der Yuan sei unterbewertet. Ich teile diese Ansicht so nicht. Die Amerikaner müssten eigentlich eingestehen, dass sie etwas falsch gemacht haben. Das tun sie natürlich nicht und sprechen dafür vermehrt über den Yuan. Vielleicht ist der Yuan im Vergleich zum US Dollar tatsächlich etwas unterbewertet. Die Probleme der USA liegen aber nicht in China, sondern im eigenen Land, das vollkommen auf Konsum ausgerichtet ist und nun an Grenzen stösst. Während die Amerikaner kräftig konsumiert haben, haben die Chinesen kräftig investiert und verfügen heute beispielsweise über die neusten und besten Produktionsanlagen, von denen die USA nur träumen können. Deshalb denke ich, wird China die USA wirtschaftlich in den nächsten Jahren überholen.

Dr. Marc Faber: Zukunftsmarkt Asien. ISBN 978-3898790468

Dr. Marc Faber: Zukunftsmarkt Asien. ISBN 978-3898790468

Dueblin: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eben entschieden, die Leitzinsen sehr tief zu halten und Griechenland unter die Arme zu greifen. Europa will Griechenland helfen. Von den rund 300 Mia. griechischen Schulden bei Banken im Ausland liegen offensichtlich rund 60 Mia. Euro in den Händen von Schweizer Geldinstituten (s. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 9. April 2010, Seite 19). Was kommt auf uns zu?

Dr. Marc Faber: Im Jahr 2008 ist das Finanzsystem auf der Welt grundsätzlich pleite gegangen. Es ist übernommen worden vom Staat durch Kreditvergaben und Übernahmen. Denken Sie an AIG oder Freddy Mac und Fanny Mae. In der nächsten Krise – ich weiss nicht, wann sie eintreffen wird – werden nicht Unternehmen, sondern die Staaten pleite gehen. Bevor das aber passiert, werden sie wie gesagt Geld drucken. Das war schon immer so. Geld drucken ist eine Form, Schulden nicht zu bezahlen. Wenn Sie heute eine Staatsanleihe der USA kaufen, in einer Zeit, in der der Dollar noch eine gewisse Kaufkraft hat, und Sie in 10 Jahren Ihr Geld zurückbekommen, mit einem Dollar, der wesentlich weniger Kaufkraft hat, dann kommt das einer Enteignung gleich. Das wird natürlich passieren und eine zeitlang funktionieren. Die Realwirtschaft wird sich aber nicht erholen und wie in Japan flau bleiben. Der Lebensstandard wird gleichzeitig sinken und es gibt Unzufriedenheit in den Ländern. Um die Aufmerksamkeit von ihrem eigenen Versagen auf anderes zu lenken und um dieses zu verschleiern, werden die Regierungen in der Regel eine Minorität verantwortlich machen. In Afrika war diese Minorität lange Zeit die indische und in Indonesien die chinesische. In Amerika könnte es dereinst Wall Street oder die Juden sein. Ein anderer Weg, um sein Versagen zu verschleiern ist, wie wir gesehen haben, einen Krieg anzufangen.

Sie fragen nach Griechenland: Griechenland wird bestimmt geholfen werden. Aber wiederum ist das keine Lösung für das Problem, sondern eben nur eine Verschiebung desselben. Durch die Hilfe wird der Euro natürlich verwässert werden, was dessen Schwäche erklärt. Falls man Griechenland nicht hilft, würden Banken auf der ganzen Welt weitere faule Kredite haben. Durch eine Hilfe werden die Regierungen in Zukunft faule Kredite haben. Wiederum wunderbar für den Steuerzahler!

Dueblin: Es ist in den letzten Monaten viel über Gold geredet worden. Der Goldpreis ist enorm angestiegen. Kann es hier zu einer neuen Blase kommen?

Dr. Marc Faber: Ich gehe davon aus, dass es genug Gold auf der Welt gibt. Die Frage ist aber zu welchem Preis. Gold kann nicht einfach gedruckt werden wie Geld. Darum findet zurzeit eine richtige Flucht ins Gold statt. Ich gehe davon aus, dass der Goldpreis noch weiter ansteigen wird.

Durch die vielen staatlichen Eingriffe werden die Zukunftsprognosen erheblich erschwert. Das Haushaltdefizit in den USA beträgt mittlerweile 1,4 Bio. Dollar. Die Health Care Reform wird Unmengen von Geld verschlingen. Ich bin überzeugt, dass dieses Defizit nie mehr unter eine Billion fallen wird. Inzwischen würde ich sogar sagen, dass das Defizit auf 2 Bio. Dollar ansteigen wird! Je schwieriger es wird, desto mehr wird sich der Staat veranlasst sehen, einzugreifen. Gleichzeitig kann er nicht eingestehen, dass er Fehler gemacht hat. Er ist also gezwungen, weiterhin Fehler zu machen und falsche Wege weiter zu beschreiten. Die Fiskal-, Steuer-, Geld- und Finanzpolitik wird weitere staatliche Eingriffe erleiden, was die Prognosen wieder erschwert. Ein guter Anleger muss deshalb unter diesen Umständen durch eine intelligente Diversifikation die Kapitalerhaltung anstreben. Ich persönlich halte Aktien, Obligationen, Immobilien, aber auch Rohstoffe. Man kann auch in Kunst anlegen, wenn man etwas davon versteht.

Es könnte, um auf das Gold zurückzukommen, nun sein, dass die Amerikaner wie im Jahr 1933 Gold als illegal erklären und dieses einziehen. Die Amerikaner kommen dann nach Europa und teilen uns mit, dass wir das Gold ebenfalls enteignen müssten, ansonsten alle Vermögenswerte, die in den USA liegen, konfisziert würden. Die unfähigen Regierungen aller Länder würden sich dem beugen und die Nationalbank in der Schweiz wäre froh, dass sie das Gold einziehen könnte, nachdem sie das Gold für unter 300 Dollar pro Unze verkauft hat. Ich bin im Übrigen deshalb auch der Meinung, dass man den Rechtssitz der Geldanlagen in verschiedenen Ländern halten sollte. Hat jemand eine Milliarde und Kapitalerhaltung ist sein Ziel, dann muss er es in vielen Ländern verteilen, um nicht Gefahr zu laufen, in einem Land enteignet oder geschädigt zu werden.

Dueblin: Wo sehen Sie selber den Ursprung des Übels und Versagens, mit dem gerade die USA zurzeit zu kämpfen haben, ein Land, das besonders von der Krise betroffen ist?

Dr. Marc Faber: Grundsätzlich ist der Ursprung des Versagens darin zu sehen, dass die ganze Wirtschaftspolitik in den USA den Verbrauch und nicht die Kapitalbildung fördert. Wenn etwas verbraucht ist, dann ist es weg. Es ist nicht mehr da. In einem gesunden System, essen Sie einen Teil von dem, was Sie geerntet und erwirtschaftet haben. Einen anderen Teil sparen Sie wie ein Bauer für den nächsten Winter und für die Saat. Ähnlich sollte es sich in einem funktionierenden und nachhaltigen kapitalistischen System verhalten. Ein Unternehmen und ein Staat sollten nicht alles ausgeben, sondern Kapitalinvestitionen vornehmen, vielleicht in Form von Ausbildung, Forschung und Entwicklung, Infrastruktur oder durch den Bau von Fabriken und den Kauf von besseren und effizienteren Maschinen. Ein Unternehmen, welches das nicht macht, wird der „Obsolenz“ erliegen. Wir sehen, was die Chinesen in den letzten 20 Jahren gemacht haben. Man kann China viel vorwerfen. Sie haben aber unerhört grosse Kapitalinvestitionen getätigt, während in den USA nur verbraucht worden ist. Die USA sind deshalb an einem Tiefpunkt angelangt. Sie sind im Grunde genommen verbraucht.

Dueblin: Das ist die finanzielle Erklärung. Aber was denken Sie als Schweizer, der in Asien lebt, ist das „Mind Set“ der USA und der wohl meisten anderen westlichen Ländern, das so einen Weg überhaupt ermöglicht?

Dr. Marc Faber: Alle Gesellschaften, die erfolgreich waren, seien das die Römer, die Spanier oder die Ägypter, wurden eines Tages durch den Reichtum verwöhnt und neigten dann zur Dekadenz. Sie wurden durch Erfolg selbstzufrieden und arrogant. Es ist wie im Sport: Ein heute führender Athlet wird in 10 Jahren nicht mehr der führende Athlet sein. Es kommen andere, die härter arbeiten und grössere Risiken auf sich nehmen. Sie sind später in einer besseren Verfassung und gewinnen. So ist es auch in unseren Gesellschaften. Gerade im Zusammenbruch des Kommunismus sind 3 Mia. Menschen in die Weltwirtschaft eingeschlossen und aufgenommen worden, die noch nicht verwöhnt, sondern top motiviert sind und viel arbeiten. Der hohe Lebensstandard steht noch vor ihnen. Das erzeugt unerhörte Energien und Kräfte, welche die USA, aber auch andere Länder, schon lange nicht mehr haben. Deshalb interessieren mich die Emerging Markets in Asien besonders.

Dr. Marc Faber mit "Dienern" (c) Marc Faber

Dr. Marc Faber mit „Dienern“ (c) Marc Faber

Dueblin: Mit den Interventionen auch in der Schweiz habe man einem Alkoholiker Alkohol gegeben, meinte Professor Fredmund Malik in einem sehr frühen Interview zur Wirtschaftskrise mit Xecutives.net treffend. Damit habe er aufgehört zu zittern.

Dr. Marc Faber: Das ist natürlich richtig. Wenn man den Privatsektor unter die Haube der Regierung nimmt, wie im Falle von General Motors oder Freddie Mac und Fanny Mae, dann hat das langfristige katastrophale Folgen. Ich bin mit diesen staatlichen Interventionen nicht einverstanden und vertrete die Meinung, dass man diese Banken und Unternehmen, die sich verspekuliert haben, hätte pleite gehen lassen müssen. So wie es heute steht, haben die Regierungen diesen Finanzinstituten eine Freikarte gegeben, um weiter zu spekulieren. In den Banken hat sich nicht viel geändert. Sie geben heute einem ehrlichen Unternehmer weniger Kredit, was für die Wirtschaft wiederum nicht förderlich ist. Es wird weiterhin spekuliert. Oft hat man den Spekulationen neue Kleider verpasst, sie sind aber dieselben.

Dueblin: Nun sind vor wenigen Tagen die City Group Bank Spitzenmanager Robert Rubin und Charles Prince nach den Risiken befragt worden, welche die Bank Ende 2007 zwangen, Verluste von bis zu 11 Milliarden Dollar anzukündigen (FAZ, 9. April 2010, Seite 11). Ungefähr zur gleichen Zeit vermelden die Schweizer Medien einen Lohn von 70 Mio. Franken für Brady Dougan, einem Top Manager der Credit Suisse. Das und vieles andere ist für viele Menschen, die denken, nicht verständlich.

Dr. Marc Faber: Wenn diese Manager der City Bank die Risiken tatsächlich nicht kannten, dann haben sie ihre Aufsichtspflichten verletzt. Sie haben zuwenig vorsichtig überwacht, was in ihren Firmen passiert. Für mich stellt sich dann die Frage, wie viel diese oder auch andere Herren heute nicht wissen. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Kontrollstellen durch die Krise verbessert haben. Ich selber bin Verwaltungsrat in mehreren Firmen. Ein Verwaltungsrat kann externe Experten hinzuziehen, die ihn auf Risiken aufmerksam machen. Die Finanzwelt ist oft derart kompliziert, dass eine externe Beratung unumgänglich ist. Gerade in Anbetracht dessen, dass es nach wie vor viele Verwaltungsräte in Finanzinstituten gibt, die wohl einen gesunden Menschenverstand haben, die Banken- und Finanzwelt aber viel zu wenig verstehen, muss man sich Gedanken machen. Dazu kommt, dass diese Verwaltungsräte oft auch nicht die Zeit haben, sich genau zu informieren. Dann können sie aber auch keine kritischen Fragen stellen, was offensichtlich in vielen Banken geschehen ist. Von Spekulationsgeschäften haben diese Menschen in der Regel schon gar keine Ahnung, was ebenfalls nicht förderlich und nachhaltig für ein Finanzinstitut ist.

In Sachen Lohn beobachte ich Folgendes: Die Hedge Fonds verdienten schon im 2009 wieder so viel wie noch nie. Die grossen Bonus- und Lohnzahlungen, bei den Pleite-Banken finanziert vom Staat, führen natürlich auch zu Missverhältnissen in der Gesellschaft. Ein Unternehmer oder Chef eines mittelgrossen Schweizer Unternehmens dürfte heute einige Hunderttausend Franken verdienen. Seine Verantwortung für die Firma ist sehr gross und er macht vielleicht auch einen guten Job. In Sachen Lohn fällt er aber völlig ab. Er verdient keine 70 Mio. Franken.

Normalerweise ist eine Krise im Wirtschaftsablauf ein Prozess, in dem das System gereinigt wird. Diese Reinigung ist wegen der eingreifenden Regierungen nicht passiert. Es geht an vielen Orten genau so weiter wie vorher – mit denselben Managern und Politikern wie vorher. Oft sind die Missstände noch grösser als sie vorher waren und die Lust auf risikoreichere Spekulationen ist gewachsen. Es darf aber in dieser ganzen Diskussion auch nicht vergessen gehen, dass die grössten Missstände in den vom Staat gesponserten Firmen wie Fanny Mae und Freddy Mac passiert sind. Es handelt sich bei beiden um „Government Sponsored Enterprises“. Die Aufsicht hatten der Kongress und das FED. Dort waren die Missstände zweifelsohne am Grössten. Das könnten weitere klare Anzeichen dafür sein, dass die nächste Krise noch viel grösser wird als die heutige Krise.

Dueblin: Was hätte ein Land wie die Schweiz in der Krise besser machen können?

Dr. Marc Faber: Ich bin für eine strikte Trennung des inländischen und ausländischen Bankengeschäfts. So könnte es eine inländische CS- und UBS-Domestic geben, die Depositen entgegennehmen und Darlehen herausgeben dürfen. Sie müssten eine gewisse Diversifikation erreichen, die überwacht wird. Alles andere könnte man in eine CS- oder UBS-International abspalten. So hätte die Bank in der Schweiz eine Stellung wie eine Kantonalbank. Der Kunde könnte dann wählen, wo er sein Geld anlegen möchte. Staaten sollten, und das betrifft auch die Schweiz, keine Finanzinstitute finanzieren. Sie tun das auf Kosten der ehrlichen Bürger, die heute keine Zinsen für ihr Geld bekommen.

Dueblin: Sie machen klare und dezidierte Aussagen. Sie machen auf mich aber nicht den Eindruck eines Pessimisten, ein Vorwurf, den man hin und wieder in Bezug auf Ihre Person liest!

Dr. Marc Faber: (Lacht) Ich fahre regelmässig schwere Motorräder in Thailand, da muss man ein Optimist sein. Ich bin vor Kurzem von der FAZ auch als Spekulant bezeichnet worden. Ich weiss nicht genau, was der Unterschied zwischen einem Anleger und einem „Spekulanten“ sein soll. Jeder Anleger, der Geld investiert, muss gewisse Ansichten über die Zukunftsentwicklungen haben. Dabei muss er in einem gewissen Sinne immer spekulieren. Wenn Sie in eine Fabrik investieren, wissen Sie auch nicht, ob und zu welchen Kosten Sie Ihre Produkte verkaufen können. Das Element Spekulation gehört meines Erachtens zu jeder Anlage.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Dr. Faber, was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dr. Marc Faber: Für mich ist auch die Gesundheit ein wichtiges Thema. Ich wünsche mir, gesund zu bleiben. Wenn man bekannt ist, hat das auch gewisse Nachteile. Ich kann physisch nicht alle Menschen treffen, die mit mir zu tun haben möchten. Deshalb bin ich von Hongkong nach Chiangmai in Thailand gezogen, wo ich mich sehr gut zurückziehen kann. Ich wünsche mir noch mehr Zeit für mich selber. Sich vom Geschäft zurückzuziehen, ist in meinem Metier sehr schwierig. Es sind oft kleine Dinge, die auf der Welt passieren und grosse Auswirkungen auf Währungen, Rohstoffe oder etwa Aktien haben. Die Analyse der Vorkommnisse auf der Welt erfordert sehr viel Arbeit. Man kann das nur machen oder nicht machen. Ich wünsche mir, dass ich es noch lange tun darf.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Dr. Faber, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei allen Ihren Tätigkeiten!

(C) 2010 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet.

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Gloom, Boom and Doom- Reports
Wikipedia