Andreas Haussener Xecutives.net-Interview
Andreas Haussener Xecutives.net-Interview

Andreas Haussener, Jahrgang 1957, machte zunächst eine Lehre als Radio- Fernsehelektroniker und trat 1980 in die Polizeischule des Kantons Basel-Stadt ein. Nach Stationen im Aussendienst in der Stadt Basel arbeitete er fast 30 Jahre lang für die Kriminalpolizei Basel-Stadt, zuletzt als Kriminalkommissär und Leiter der Fachgruppe Einbruchdiebstahl. 2019 ging Andreas Haussener in Pension, um seinen privaten Interessen nachgehen zu können. Bis im Mai 2020 war Andreas Haussener Präsident des Verkehrsvereins Leimental (VVL). Das Leimental, das Tal des Birsigs, eines Baches, der seinen Ursprung im französisch-elsässischen Wolschwiller hat, wird heute von 60’000 Menschen bewohnt und liegt südlich der Stadt Basel, an der Grenze zum Elsass. Der VVL wurde 1901 als „Verkehrsverein des Birsig- und Leimentals“ gegründet, um der Stadt Basel etwas entgegenhalten zu können, und widmet sich heute hauptsächlich kulturellen, gesellschaftlichen und geschichtlichen Projekten und Unterfangen. Weit über die Grenzen des Leimentals hinaus kennt man das Benediktiner-Kloster Mariastein, das Wasserschloss Bottmingen und die Chälegrabeschlucht mit der Hofstettermatte, aber auch die Burg Landskron oberhalb von Leymen (F). Für die rund 750 Mitlieder des Vereins und für Interessierte am Leimental organisiert der VVL seit seiner Gründung regelmässig Vorträge, Führungen und Besichtigungen aller Art mit Bezug zum Leimental. Der VVL fördert(e) aber auch Dichter, Autoren und Menschen, die sich mit dem Leimental oder für das Leimental einsetzen und hat diverse Publikationen unterstützt und ermöglicht. Grund, den VVL und seinen ehemaligen Präsidenten etwas besser kennenzulernen – für alle, die noch nicht Mitglieder sind.

Im Interview mit Xecutives.net nimmt Andreas Haussener als ehemaliger Präsident des VVL Stellung zu einem besonderen Gebiet der Nordwestschweiz, das aufgrund seiner Grenzlage zu Frankreich und seiner Nähe zur Stadt Basel seinen besonderen Reiz hat. Andreas Haussener beleuchtet Highlights seiner Präsidentenkarriere und zeigt, was den VVL bewegt (hat) und was in Zukunft auf den VVL zukommen könnte, der neu von Mike Keller, dem Gemeindepräsidenten von Binningen präsidiert wird. Haussener geht auch auf die Frage ein, was seines Erachtens Baselland vom Halbkanton Basel-Stadt unterscheidet, zwei Halbkantone, die nicht immer miteinander harmonieren. Er macht sich Gedanken darüber, wie man für eine Region wie das Leimental auch die Jugend gewinnen und einbeziehen kann; Gedanken, die durchaus auch für andere Regionen Bedeutung haben. Er stellt fest, dass Vereine wie der VVL heute an Überalterung leiden und zeigt Lösungen auf, die auch jüngere Menschen begeistern könnten.

Xecutives.net: Herr Haussener, Sie haben in den letzten 10 Jahren viel Zeit und man darf wohl sagen auch sehr viel «Herzblut» für den VVL aufgewendet und sich intensiv mit dem Leimental auseinandergesetzt. Bevor wir zum VVL kommen, möchte ich Sie jedoch fragen, was Ihre persönlichen Beziehungen zum Leimental sind und was Sie in den letzten Jahrzehnten beruflich beschäftigt hat?

Andreas Haussener: Nach einer Ausbildung als Radio- Fernsehelektroniker habe ich mich schon in sehr jungen Jahren entschieden, zur Polizei zu gehen. Ich habe lange Zeit Strassendienst gemacht und habe schon vor 30 Jahren zur Kriminalpolizei gewechselt. In dieser Funktion war ich an Hunderten von Ermittlungen als Leiter der Fachgruppe Einbruch beteiligt. Das Polizeisystem im Kanton Basel gibt der „Kripo“ viele Kompetenzen. Gleich über dem Kommissar gibt es noch den Staatsanwalt. Mit den Staatsanwälten hatte ich sehr viel zu tun und als Kommissar sieht man so manches im Leben – Schönes und nicht so Schönes, gar Elend. Die Polizei bekommt offene Grenzen und die Globalisierung ebenfalls zu spüren und sie muss sich oft mit schwierigen Verhältnissen und Vorfällen in der Gesellschaft auseinandersetzen. Ich habe meine Tätigkeit auf alle Fälle als sehr spannend empfunden. Unlängst bin ich in Pension gegangen, um mich meinen eigenen Interessen, vor allem dem Reisen, widmen zu können. Ich plane zusammen mit meiner Frau Reisen, bspw. auch ins schöne Schottland, dessen Landschaft und Menschen mich schon immer begeistert haben.

Xecutives.net-Interview Andreas-Haussener - Wanderung VVL
Xecutives.net-Interview Andreas-Haussener – Wanderung VVL

Xecutives.net: Was hat Sie veranlasst, nebst dem Pensum als Kommissar, das mit mancher Nachtschicht und mit viel Pikett verbunden war, die Präsidentschaft des Verkehrsvereins Leimental (VVL) zu übernehmen? Dieses Amt haben Sie von 2010 bis Mai 2020 innegehabt.

Andreas Haussener: Meine Frau war längere Zeit Kassiererin des VVL. Sie wurde damals von Jean-Rudolf Thüring, dem damaligen Präsidenten, angefragt, ob sie den VVL gerne mit ihren buchhalterischen Kenntnissen unterstützen möchte. Eines Tages kam eine „Präsidentenfindungskommission“ zu mir und man bot mir das Amt des Präsidenten des VVL an. Ich wurde damals grad zum Kriminalkommissar befördert, weshalb ich anfangs etwas zögerte. Ich sagte aber zu, weil ich am Führen und Organisieren Freude habe und der Meinung war, dass ich das zeitlich auf die Reihe bekommen kann, unterstützt durch viele weitere Vorstandsmitglieder. Das Leimental hat mich schon immer begeistert. Ich wohne seit 40 Jahren in Ettingen. Ich habe diese 10 Jahre nie bereut. 2010 wurde ich somit in Therwil zum Präsidenten des VVL gewählt.

Ich musste und wollte in der Folge viel über das Leimental lernen. Ich war auch immer an den geschichtlichen Anekdoten und Ausführungen des ehemaligen Präsidenten interessiert. Über den VVL habe ich später viele Kontakte knüpfen können und viele interessante Menschen kennengelernt, die alle mit dem Leimental auf die eine oder andere Weise verbunden sind. Selber bin ich aber im Kanton Basel-Stadt geboren und war im damals sogenannten „Bierfläschligellert“, im St. Johann, zuhause. Damit kenne ich auch diesen Halbkanton sehr gut, was für mich während der Präsidentschaft ein Vorteil war. Meine Freizeit habe ich schon als Kind im Leimental und im Birstal verbracht. Mir war immer schon klar, dass ich früher oder später im Leimental und nicht in der Stadt leben würde. So kam es denn auch. Trotzdem ist und war mir auch Basel als Stadt wichtig.

Xecutives.net: Die beiden Halbkantone hatten und haben das Heu nicht immer auf der gleichen Bühne. Unlängst ist ein erneuter Versuch, die Halbkantone zusammenzuführen, gescheitert, nicht etwa am Kanton Basel-Stadt, sondern am Kanton Baselland. Hier gibt es alte Gräben und Animositäten, die zweifelsohne immer noch bestehen. Vielleicht haben wir keine Zustände wie in Obwalden und Nidwalden, wo das noch etwas pointierter ist als bei uns, und wo man sich offenbar auch gerne mal auf die Köpfe haut, wie mir das ein Kunstsammler aus dieser Gegend einmal beschrieben hat. Wie sehen Sie dieses Nebeneinander von Stadt und Land? Die Trennung in Baselland und Basel-Stadt geht ja auf 1833 zurück und seither hat sich die Welt, auch das Leimental sehr verändert.

Andreas Haussener: (Lacht) Ich selber war mir bei dieser letzten Abstimmung von der Sie sprechen auch nicht schlüssig. Der VVL und seine Mitglieder dürfen als eher konservativ bezeichnet werden. Die grosse Ablehnung aber kam sicher aus dem sehr ländlichen und bäuerlich geprägten Oberbaselbiet. Man kann diese Kantone heute wirtschaftlich und politisch nicht mehr auseinanderhalten. Sie gehören zusammen und beide sind aufeinander angewiesen. Ich kenne Menschen in Basel, die meinten, dass der Kanton Baselland, dem es finanziell immer etwas schlechter ging als der Stadt Basel, die von den grossen Pharma-Multis profitiert, sich viel zu wenig an der Infrastruktur in Basel beteiligen würde. Damit meinte er natürlich das Theater und auch bspw. die Universität, von der auch der Kanton Baselland profitiert. Das sind meines Erachtens die falschen Gedanken. Ich denke, dass sich mit einer Zusammenführung auch politisch nicht viel verändert hätte.

Xecutives.net-Interview Andreas Haussener - Schloss Bottmingen (Foto: Andreas Haussener)
Xecutives.net-Interview Andreas Haussener – Schloss Bottmingen (Foto: Andreas Haussener)

Auf der anderen Seite jedoch, und da gebe ich Ihnen voll und ganz Recht, gibt es diese alten Geschichten und Zöpfe, die man halt eben auch nicht einfach so wegreden kann. Die Trennung der beiden Basel war, wie Sie sagen, sehr einschneidend, vielleicht damals auch nötig, weil die ländlichen Gegenden sicher das wirtschaftliche Nachsehen hatten. Das ist aber heute alles nicht mehr so – rein wirtschaftlich und politisch gesehen. Es sind aber diese alten Geschichten immer noch da und auch Neid, der eine Rolle spielt. Basel hat mehr Geld und Baselland hat dafür mehr Grün. Ich erinnere mich im Übrigen noch daran, wie die Reaktionen meiner Mitschüler in der Polizeischule waren, wenn ich sagte, ich würde nach Baselland gehen.

Xecutives.net: Was haben diese gesagt zum Vorhaben, nach Baselland zu gehen?

Andreas Haussener: Man warf mir vor, dass ich nun auch so einer vom Land sei, ein Rampass (lacht). Aber das war sicher nicht ernst gemeint, trotzdem steckt in der Reaktion mehr als nur Spass. Ich hatte aber später gute Gründe nach Ettingen zu ziehen. Da ist einmal die für mich bessere Wohnsituation im Kanton Baselland zu nennen und dann natürlich meine Frau, die aus einer alten Familie in Ettingen stammt. Meine Frau war in der Gemeinde noch bis Ende Juni 2020 als Gemeindepräsidentin tätig.

Xecutives.net: Der VVL geht auf das Jahr 1901 zurück und dessen Gründung hat ja auch mit diesen Spannungen, die es damals schon gab, zu tun. Man wollte offenbar mit dem VVL, er hiess damals noch „Verkehrsverein des Birsig- und Leimentals“ (VBL), den Baslern etwas entgegenhalten. Was waren damals vor 120 Jahren die Gründe, den Verein ins Leben zu rufen?

Andreas Haussener: Das ist absolut so! Die Leimentaler stiessen sich nebst vielem mehr am Entscheid der Basler, den Güterbahnhof auf dem Wolf in Basel zu bauen und nicht im näher gelegenen Gundeli-Quartier. Die Leimentaler nahmen diesen Entscheid persönlich und sahen das als Nachteil, weil das Leimental nicht angebunden war oder dadurch nur erschwert angebunden werden konnte. Man stand somit zusammen und gründete den Verein, der heute 120 Jahre alt ist.

Die Geschichte des Leimentals ist besonders, das muss man beachten. Es gab hier viele Kriege so nahe an der Grenze zu Frankreich und zum Elsass, genauer gesagt zum Sundgau. Das Leimental wurde im Dreissigjährigen Krieg verwüstet und litt mehr als die Basler unter Plünderungen. Es gab auf dem Land viel Armut und auch Elend. Die Birsigtalbahn gab es 1901 schon, sie geht auf das Jahr 1887 zurück. 1910 wurde sie bis Rodersdorf verlängert und führte wie heute noch durch das benachbarte Frankreich. Die Station Leymen der Bahn befindet sich auf französischem Boden, eine Kuriosität hier in unserer Region.

Mit dem Verkehrsverein wollte man die Interessen unserer Region wahren und man nahm Einfluss auch auf politische Entscheide. Ohne den VVL lief nichts. Seine Macht war so gross, dass die Birsigtalbahn ohne Verkehrsverein keine Preiserhöhungen durchsetzen konnte. Das wäre heute undenkbar! Sowieso war das damals eine völlig andere Welt. In Ettingen gab es das Ettinger-Bad. Baslerinnen und Basler gingen mit der Bahn nach Ettingen und nach Flüh, um dort warm zu baden. Viele Menschen, auch Ettinger, wissen das nicht mehr und das tönt heute lustig.

Xecutives.net: Baslerinnen und Basler gingen in Oberwil Schlittschuhlaufen, auf dem Eisweiher!

Andreas Haussener: Genau, man packte seine Schlittschuhe, man nannte sie damals „Schruubedämpferli“ und begab sich ins Leimental, um sich zu amüsieren. Später kauften die Betreiber der Birsigtalbahn die Hofstettermatte und sie fingen an die Chälegrabeschlucht begehbar zu machen, resp. touristisch zu erschliessen. Auch mit dieser Attraktion versuchte man die Basler mit Geld ins Leimental zu locken. Der VVL trägt noch heute viel dazu bei, dass die Chälegrabeschlucht für die Öffentlichkeit begehbar ist. Auch findet jährlich die VVL GV in der Chälegrabeschlucht statt, an diesem grossen Runden Steintisch mit der Feuerstelle, die man dort findet. Dort entscheidet man dann wieder über Spenden für neue Eichenbalken und Geländer. Das zeigt, dass die Birsigtalbahn von unerhörter Wichtigkeit war, natürlich auch heute noch, wenn man bedenkt, wie viele Pendler nach Basel zur Arbeit fahren. Heute wohnen im Leimental 60‘000 Menschen!

Xecutives.net-Interview Andreas Haussener - Begrüssung der Gäste des VVL (Foto: Andreas Haussener)
Xecutives.net-Interview Andreas Haussener – Begrüssung der Gäste des VVL (Foto: Andreas Haussener)

Xecutives.net: Was sind die Ziele und Absichten, die der VVL heute verfolgt?

Andreas Haussener: Der VVL ist politisch absolut neutral. Er mischt sich nicht in politische Angelegenheiten ein, wie das noch vor 120 Jahren und auch später noch der Fall war. Diese Zeiten sind vorbei. Ich erinnere mich, dass ich persönlich einen Leserbrief in der Basellandschaftlichen Zeitung (BZ) veröffentlicht hatte, als man die finanzielle Beteiligung des Kantons für den Verein Wanderwege beider Basel massiv kürzen wollte. Das hat mich damals sehr beschäftigt, stellt doch dieser Verein alle Wegsignale und Beschilderungen, die von den Bewohnern genutzt und gebraucht werden. Der Verein unterhält – notabene alles auf freiwilliger Basis – und übrigens auch unterstützt vom VVL, hunderte von Kilometern Wanderwege. Offenbar war vielen Menschen gar nicht klar, was dieser Verein unternimmt und ich habe mich veranlasst gesehen zu intervenieren. Es kam dann so, wie ich mir das erhofft hatte, die geplanten Kürzungen wurden nicht durchgesetzt. Das ist aber eine absolute Ausnahme. Wir sind immer wieder im Vorstand in Klausur gegangen, was wir wollen und wohin die Reise gehen soll. Es ging dann auch um Werbung und unsere Broschüre.

Xecutives.net: Ich lese diese Broschüre regelmässig, wenn ich das kurz einbringen darf und ich kann sie jedem empfehlen, der Interesse am Leimental hat. Ich halte das für ein ganz ausserordentlich tolles Produkt! Wer im Leimental wohnt oder sich dafür interessiert, findet darin sehr interessante Hinweise und viel Inspiration, grad auch jetzt während der Corona-Pandemie, wo die Menschen ihre eigenen Dörfer und die eigene Region wiederentdecken.

Andreas Haussener: Ihre Reaktion freut mich und ich höre das von vielen Menschen. Der Kanton Solothurn, der den grössten Flächenanteil des Leimentals hat, hat diese Art von Broschüre ebenfalls übernommen. Das Schwarzbubenland und sein Tourismus-Büro haben das ganze Konzept von uns übernommen und damit ebenfalls gute Erfahrungen gemacht. Wir machten uns auch viele Gedanken über die Digitalisierung. Mike Keller, der neue VVL-Präsident, wird sich auch mit dieser Frage auseinandersetzen. Die Technik ist heute viel besser als noch vor 10 Jahren. Es sind diese technischen Sachen aber schnell auch mit hohen Kosten verbunden.

Der VVL ist ein Kulturverein, der versucht, das Leimental bekannt zu machen. Wir organisieren regelmässig Anlässe, Führungen und Vorträge, die sehr beliebt sind und auch gut besucht werden. Somit ist der VVL auch etwas Vermittlerin von Kultur. Die Vertreter des VVL gehen aber auch an „Neuzuzüger-Apéros“, an Weihnachtsmärkte, Feste, Märkte ganz generell, wo versucht wird, die Bestrebungen des Vereins zu vermitteln. Das war immer sehr wichtig, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben. Das reicht aber nicht aus, um auch die Jugend gewinnen zu können.

Xecutives.net: Es ist nichts Neues, dass sich vor allem ältere Menschen für den VVL interessieren. Das war offenbar schon zur Zeit meines Grossvaters, Ruedi Düblin, so, der den Verein in den Sechzigerjahren und Siebzigerjahren präsidierte. An was liegt das?

Andreas Haussener: Es gibt sehr viele ältere Menschen, die Mitglieder des VVL sind und gerne die Anlässe des VVL besuchen. Manche dieser Menschen haben sonst nichts anderes und darum ist der Kontakt zum VVL für sie besonders wichtig. Es ist eine soziale Aufgabe des VVL, sich mit diesen Menschen auseinanderzusetzen und etwas für ihr Wohlergehen beizutragen. Der VVL ist auch ein soziales Netzwerk. Das Organisieren der Anlässe ist sehr wichtig. Es gibt immer einen Apéro und damit auch einen sozialen Austausch zwischen den Mitgliedern. Diese Apéros sind genauso wichtig, wie der Anlass an sich. Mich haben die vielen positiven Reaktionen dieser Menschen immer sehr gefreut und das ist sicher auch ein Grund dafür, warum ich das Gefühl habe, dass diese 10 Jahre im Flug vorbeigegangen sind.

Aber es gilt festzuhalten und das kann nicht in Abrede gestellt werden, dass der VVL, aber auch die meisten anderen ähnlichen Vereinigungen, mit denen der VVL zu tun hat, überaltert sind. Es ist schwierig, jüngere Menschen für den Verein und seine Aufgaben begeistern zu können. Ich weiss, dass der neue Präsident sich eingehend mit dieser Herausforderung auseinandersetzt.

Xecutives.net: Das Leimental birgt viele Besonderheiten, grad auch die Nähe und der Kontakt zum Elsass sind einzigartig und wirken sich auch auf den Charakter der Menschen aus. Es herrscht im Leimental eine Willkommenskultur. Tausende von Menschen kommen aus dem Ausland oder anderen Teilen der Schweiz und arbeiten in Basel bspw. für die Pharma-Industrie. Die meisten, die ich kenne, fühlen sich hier wohl. Seit über hundert Jahren schon pflegt der VVL den Kontakt ins Elsass, genauer gesagt ins Sundgau. Was haben Sie während Ihrer Präsidialzeit für Erfahrungen mit unseren französischen Nachbarn gemacht?

Xecutives.net-Interview Andreas Haussener - Wanderung VVL (Foto: Andreas Haussener)
Xecutives.net-Interview Andreas Haussener – Wanderung VVL (Foto: Andreas Haussener)

Andreas Haussener: Wir haben immer sehr gute Kontakte mit Biederthal, Wolschwiller, Liebenswiller und auch Leymen gepflegt. Der Maire von Wolschwiller ist gar bei uns im Vorstand vertreten, das schon seit vielen Jahren. Auch diese Gemeinden im benachbarten Elsass gehören zum Leimental und tragen zum Reiz dieser Region bei. Es gibt sehr viele Berührungspunkte, auch viele persönliche Kontakte über die Grenzen hinweg.

Der VVL hat schon immer auch Ausflüge ins benachbarte Sundgau unternommen. Auch viele Schweizer Gemeinden pflegen Kontakte zu den Nachbarn in Frankreich. Mit der damaligen „Madame le Maire“ von Leymen, Frau Danielle Ott, hatten wir sehr viel Kontakt, weil sie auch den Verein Pro-Landskron präsidiert hatte und immer noch präsidiert. Der VVL hat Pro-Landskron immer auf die eine oder andere Weise unterstützt. Wir haben dort auch viele Bänke gesponsert, so dass sich die Besucher auf dieser Burg wohl fühlen können. Die Beziehung ist aber auch politisch geprägt, insofern als diese französischen Gemeinden alle von Paris abhängig sind und darum auch kleinste Entscheide oft sehr lange brauchen oder gar nicht passieren. Wollen Sie aus der Schweiz einem Museum in Frankreich etwas schenken, dann müssen Sie sich das zwei Mal überlegen (lacht). Es ist dann besser, eine Sache auszuleihen, um jahrelange Steuerdiskussionen zu vermeiden.

Die Menschen im benachbarten Kanton Solothurn und auch in Basel sind genauso unterschiedlich. Jeder hat seine Ansichten und seine Geschichte. Die Franzosen haben eine andere Lebenseinstellung. Dazu müssten Sie ein Interview machen! (Anm.d.R.: Lesenswert die Interviews mit dem Koch-, Glace und der Maitre de Choucroute-Legende Tony Hartmann und dem weltbekannten Fromager Bernard Antony aus Vieux-Ferrette).

Kurz zusammengefasst und ohne Soziologe zu sein, kann ich bestätigen, dass die Menschen im Sundgau das Leben lockerer angehen als wir Schweizer und sie nehmen sich selber nicht so wichtig, wie wir das oft tun. Wir kennen das unter dem Begriff „laissez faire“, den die Franzosen gar nicht abstreiten möchten. Das hat auch Einfluss in Bezug auf die regionale Zusammenarbeit. Es sind aber eben auch die vielen persönlichen Kontakte, die eine Zusammenarbeit, trotz des Einflusses von Paris, eben doch möglich machen. Es gibt also immer Möglichkeiten, Projekte angehen zu können oder etwas zu beschleunigen.

Xecutives.net: Mir scheint diese Nähe zu Frankreich, die wir hier im Leimental geniessen dürfen, von besonderer Bedeutung zu sein. Bekomme ich Besuch aus dem Ausland, gehe ich oft ins Elsass und die Besucher sind begeistert. Man läuft mal kurz 10 Minuten bis zur Grenze und geht in Neuwiller essen.

Andreas Haussener: (Lacht) Das ist wunderbar! Ich denke, dass sich das auch auf den Charakter der Menschen hier positiv auswirkt. Man kennt das Elsass und die Franzosen und wird damit auch toleranter. Das Elsass hat viel Schönes zu bieten und den Menschen hier ist klar, dass das zur Lebensqualität beiträgt. Es gibt im VVL selber nicht nur Kontakte zu den französischen Gemeinden im Leimental, sondern auch bis nach Ferrette. Heute noch fährt im Sommer ab Leymen ein Bus in den Sundgau nach Ferrette. Viele Menschen aus der Schweiz nutzen an schönen Tagen diesen Bus, gehen nach Ferrette Essen und fahren später wieder zurück in die Schweiz. In Ferrette gibt es auch das Feuerwehrmuseum (Musée du Sapeur-Pompier d’Alsace). Dort stehen auch Feuerwehrutensilien aus der Schweiz. Ich kann einen Besuch dieses Museums sehr empfehlen.

Xecutives.net: Wenn wir nun schon beim Elsass sind, müssen wir auch über die Burg Landskron auf dem Landskronberg oberhalb von Leymen sprechen. Um diese Burg ranken sich viele Sagen und Geschichten. Von besonderer Bedeutung ist die Lage und somit auch die Aussicht auf das Leimental, auf das Elsass und Basel. Was verbindet den VVL mit dieser Burg?

Andreas Haussener: Ich habe zuhause noch einen alten Kupferstich auf dem man sieht, wie die Burg noch vor einigen Hundert Jahren ausgesehen hatte. Es gibt wie gesagt den Verein Pro-Landskron und der VVL ist wiederum Mitglied dieses Vereins. Der VVL ist an der Generalversammlung von Pro-Landskron vertreten. Dort tauscht man sich aus und es gibt viele Unterstützungsprojekte, die der VVL umsetzt. Der Verein Pro-Landskron wird von der ehemaligen Mme le Maire von Leymen sehr gut geführt. Sie hat viel Herzblut in den Verein und in die Landskron gesteckt und man hat sie in den letzten Jahren vor dem Zerfall und Verfall gerettet.

Sie haben das richtig gesagt, die Ruine ist von besonderer Bedeutung auch für das Leimental, weil die Aussicht von ganz oben vom Turm, den man besteigen kann, ganz einzigartig ist. Es gibt keinen zweiten Aussichtspunkt in der Umgebung, der es mit der Landskron aufnehmen könnte.

Xecutives.net-Interview Andreas Haussener - Chälegrabenschlucht (Foto: Andreas Haussener)
Xecutives.net-Interview Andreas Haussener – Chälegrabenschlucht (Foto: Andreas Haussener)

Xecutives.net: Auch der Kanton Solothurn spielt eine grosse Rolle. Wie haben Sie den Kontakt zu diesem benachbarten Kanton erlebt? Wir leben ja an der Grenze bspw. zu den Schwarzbuben, an der Grenze zu einer weiteren sehr interessanten und auch landschaftlich sehr schönen Gegend der Nordwestschweiz.

Andreas Haussener: Das trifft voll und ganz zu und wir „Landschäftler“ müssen neidlos anerkennen, dass viele Ausflugspunkte und Sehenswürdigkeiten sich auf solothurnischem Hoheitsgebiet befinden. Darum versteht sich der VVL auch als kantonsverbindende Institution, natürlich nebst dem Umstand, dass wir auch «länderverbindend» tätig sind. Unser Vizepräsident Peter Billeter «pilgert» jedes Jahr nach Solothurn an die Generalversammlung des kantonalen Tourismusvereins Solothurn. Dies auch, um dort regelmässig auf die Existenz des VVL aufmerksam zu machen und auch über unsere Arbeit zu berichten. Frei nach dem Motto: «Tue Gutes und berichte darüber.» So versuchen wir, den Kontakt bis in diesen Kantonshauptort zu pflegen. Wir halten natürlich auch via Forum Schwarzbubenland und den Verkehrsverein Mariastein-Metzerlen Kontakt zu Solothurn.

Xecutives.net: Wir können dieses Gespräch nicht abschliessen, wenn wir nicht auch über das Kloster Mariastein gesprochen haben, das für das Leimental ebenfalls eine sehr grosse Rolle spielt. Es ist als Wallfahrtsort weit über die Schweizer Grenzen hinweg bekannt, auch auf Solothurner Boden. Meine Grosstante Lydia ging dort von Oberwil aus in die Ferien, damals als man noch in der eigenen Region in den Urlaub reiste! Heute mit der Corona-Pandemie wird das schon fast wieder normal. Was verbindet den VVL mit dem Kloster und wie stehen Sie selber als Ettinger zum Kloster Mariastein?

Andreas Haussener: Mariastein ohne Kloster wäre für mich undenkbar, umso mehr ich als Präsident die Ehre hatte den Abt Peter von Sury persönlich kennen zu lernen. Er war und ist für mich eine äusserst grossartige Persönlichkeit mit einer ganz besonderen Ausstrahlung. Im August 2017 auf der Wiese vor dem Klosterhotel Kreuz konnten wir ein kleines Jazzfestival organisieren, welches sehr gut besucht war. Dort haben die weit über das Leimental hinaus bekannten «Loamvalley Stompers» mit bekannten und beliebten Dixieland-Songs aufgespielt. Unter den Besuchern befand sich auch der Abt des Klosters, welcher sich als begeisterter Jazzfan outete.

Im September 2012 gab es eine Ausstellung zum berühmten Turiner Grabtuch. Auch hier hat der VVL seinen Mitgliedern eine exklusive Besichtigung ermöglicht. Letztes Jahr im Juni führten wir zudem eine Exkursion zur St. Anna-Kapelle in Mariastein durch. Über die historischen Hintergründe und auch die wunderschön gelungene Restauration der Kapelle referierte ein Ordensbruder, Pater Ludwig, äusserst kompetent und verstand es, die VVL-Mitglieder zu begeistern. Weiter haben wir mit dem Verkehrsverein Mariastein-Metzerlen einen hervorragenden Kontakt, sitzt doch dessen Präsidentin, Marianne Frei, beim VVL im Vorstand. Sie sehen also, dass wir mit Mariastein doch etliche Berührungspunkte hatten und hoffentlich noch haben werden.

Xecutives.net: Ich weiss, dass Sie sich auch sehr grosse Gedanken über die Zukunft des VVL gemacht haben und machen. Wo erkennen Sie die Herausforderungen, mit denen sich der VVL in den nächsten Jahren auseinandersetzen muss? Was wird auf den VVL zukommen und wie kann er sich strategisch den neuen Verhältnissen anpassen?

Andreas Haussener: Sie haben es selber gesagt, der Verein hat viele interessierte ältere Menschen als Mitglieder, aber mit dem Nachwuchs hapert es. Ich denke, dass es die Digitalisierung ist, mit der sich der Verein weiter wird auseinandersetzen müssen. Unsere Kinder und jungen Menschen denken und handeln „digitalisiert“. Junge Menschen machen sich anders schlau als ältere. Wir nehmen noch ein Buch in die Hände, die Jungen nehmen ein Mobile-Phone, was dort nicht erscheint, gibt es nicht. Es müssen auch Angebote gemacht werden, die Jugendliche und junge Menschen interessieren. Darum muss der VVL immer in Kommunikation sein, seine Anlässe ankündigen und auf spannende Sachen aufmerksam machen.

Ich bin zuversichtlich, dass Mike Keller als neuer Präsident die richtigen Massnahmen einleiten und das Mögliche umsetzen wird. Ihm und dem VVL wünsche ich nur das Beste und weiterhin viel Erfolg!

Xecutives.net: Sehr geehrter Herr Haussener, ich bedanke mich herzlich für dieses Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin alle Gute auf Ihren Reisen und Ausflügen im Leimental, aber auch in Schottland!

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