Kurt Aeschbacher - Copyright SF/Merly Knörle

Kurt Aeschbacher – Copyright SF/Merly Knörle

Kurt Aeschbacher, Jahrgang 1948, studierte Nationalökonomie und war in jungen Jahren bereits als Vizedirektor der legendären Grün 80 tätig. Durch seine Redaktoren- und Moderatorentätigkeit für die TV-Sendung „Karussell“ wurde er schweizweit bekannt. Es folgten Sendungen wie „Grell Pastell“ und „Casa Nostra“ – seit 2001 auch die Late Night Talk Show „Aeschbacher“. Der vielseitige und empathische Unternehmer, Moderator und seit 2005 auch UNICEF-Botschafter gehört zu den bekanntesten Menschen in der Schweiz. Im Interview mit Christian Dueblin nimmt Kurt Aeschbacher Stellung zu seiner Arbeit in der Öffentlichkeit, seinen eigenen Ansprüche im Umgang mit Menschen im TV-Geschäft und verweist in einer Welt, die die Schlagzeile, den Superstar und das Supermodell sucht, auch auf die weniger schönen Seiten und die Abgründe des Showgeschäfts.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Aeschbacher, Sie gehören seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Menschen in der Schweiz. Sie haben Nationalökonomie studiert und waren für die damals spektakuläre Grün 80 als junger Vizedirektor und kurze Zeit später als Moderator der Sendung Karussell tätig. Seither hat sich viel verändert und Sie haben einiges erlebt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die Zeit vor dreissig Jahren zurückdenken?

Kurt Aeschbacher: Mir geht durch den Kopf, wie gut es ist, dass die Welt im Fluss ist, dass sich Ansichten verändern, dass die Tabus von damals heute keine mehr sind, aber auch, dass wir uns vor lauter Arbeit hinter dem Bildschirm kaum mehr Zeit für ein spontanes Gespräch mehr geben. Ich habe aber auch das Gefühl, dass die Ungeduld untereinander zugenommen hat, man sich kaum mehr Zeit nimmt, über grundsätzliches nachzudenken, und dass wir aus den letzten wirtschaftlichen Krisen – da gab’s ja seit den 80er-Jahren einige – wenig gelernt haben und immer noch meinen, dass das quantitative Wachstum vor dem qualitativen zu stehen habe.

Dueblin: Auf Ihrem Blog schreiben Sie, dass Sie sich anlässlich Ihres Geburtstages darüber Gedanken machen würden, was für Sie wichtig sei. Wie finden Sie trotz viel Arbeit in der Öffentlichkeit, bei der es auch um Geld und Quoten geht, Ihre Wahrhaftigkeit im Leben?

Kurt Aeschbacher: Halt eben gerade in den Fragen, die ich mir immer wieder stelle. Es sind die alten philosophischen Fragestellungen: Wer bin ich? Was will ich? Wohin gehe ich?

Kurt Aeschbacher (c) SF/Merly Knörle

Kurt Aeschbacher (c) SF/Merly Knörle

Dueblin: Obwohl bekannt ist, dass Sie die Öffentlichkeit als Privatperson eher scheuen, sind Sie im Berufsleben in Funktionen tätig, bei denen die Öffentlichkeit eine sehr grosse Rolle spielt – sei es als Moderator oder Ansager, aber auch als Unternehmer oder sogar als UNICEF-Botschafter. Wie gehen Sie mit diesen Rollenwechseln als Privatperson und Person der Öffentlichkeit um und warum funktioniert dieser Wechsel so gut?

Kurt Aeschbacher: Sie geben mir die Antwort eigentlich schon in Ihrer Frage: das Ganze ist ein Rollenspiel, das ganz klar durch die Aufgaben innerhalb der einzelnen Funktionen geprägt ist. In meiner Arbeit am Bildschirm versuche ich, auf die Menschen einzugehen, welche bei mir zu Gast sind. Das heisst, dass ich dabei mit meinen Fragen, einer detaillierten Auseinandersetzung mit seiner Biografie und der Bereitschaft zuzuhören, den Gast in den Mittelpunkt zu stellen versuche. Moderiere ich einen Kongress oder einen Anlass, gilt es, möglichst präzis die Inhalte zu vermitteln und engagiere ich mich für die UNICEF oder andere gemeinnützige Organisationen, liegt es mir daran, bei anderen Menschen das Mitgefühl für diejenigen zu wecken, die Hilfe nötig haben. In all diesen Aufgaben bin aber ich nicht der Inhalt, sondern höchstens die Bühne, auf der all das stattfindet. Und dann gibt es halt auch noch den privaten Aeschbacher, der seine Passionen lebt, seine Freundschaften geniesst und das alles nicht an die grosse Glocke hängen will.

Dueblin: Sie verfügen über eine grosse Empathie, welche es Ihnen offenbar ermöglicht, mit sehr vielen Menschen einen Draht zu finden. Ist es eine Mischung aus Empathie, wahrhaftigem Interesse und Ihrem Auffassungsvermögen, die Ihren Erfolg ausmacht?

Kurt Aeschbacher: Zweifellos gehören all diese Eigenschaften zu einem guten Gespräch. Das Wichtigste scheint mir aber eine echte Neugier zu sein und wohl auch die Bereitschaft, nicht immer alles bewerten zu wollen…

Dueblin: Sie gehen immer wieder auch heikle Themen mit randständigen Menschen sowie Tabuthemen an. Wie bereiten Sie sich auf solche Themen vor und wo liegen Ihrer Ansicht nach die Fallstricke im Umgang mit schwierigen Themen in der Öffentlichkeit?

Kurt Aeschbacher: Die Fallstricke liegen zum grössten Teil im zynischen Voyeurismus der aktuellen Medienlandschaft. Immer mehr Journalisten suchen nicht nach Hintergründen, scheuen einen seriösen Rechercheaufwand, wollen sich nicht mit dem Abwägen der Konsequenzen einer veröffentlichten Geschichte für die Betroffenen belasten, sondern suchen einzig allein den Primeur, den Skandal und die Schlagzeile. Diesem Mechanismus möchten sich mein Team und ich nicht unterwerfen und wir verzichten lieber auf eine süffige Geschichte, als dass wir einen Menschen im übertragenen Sinn nackt dem Publikum vorführen. Je mehr allerdings Medienunternehmen wie eine Schraubenfabrik von rein gewinnorientierten Managern geführt werden, desto stärker wird diese Tendenz zur provokativen Schlagzeile und zur Personifizierung des Skandals die Medien prägen. Ausser die LeserInnen oder ZuschauerInnen verweigern irgendwann einmal den Konsum dieser Art von Journalismus.

Dueblin: Die Medienlandschaft, aber auch das Fernseh- und Unterhaltungsgeschäft haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Vergleicht man die Sendung Karussell mit Programmen, die heute zur gleichen Zeit ausgestrahlt werden, so wird klar, dass wir heute in einer anderen Welt leben. Wo sehen Sie als TV-Macher selber die grössten Unterschiede zu früher? Wo sehen Sie Chancen aber auch Risiken?

Kurt Aeschbacher: Das Medium Fernsehen neigt gerade in der Unterhaltung dazu, falsche Versprechen abzugeben und Inhalte zuzuspitzen. Man sucht den Superstar, das Supermodell, im Wissen, dass alles nur ein Fake ist und es einzig darum geht, über die Zurschaustellung von Menschen Sendezeit zu füllen und dabei die Juroren viel wichtiger werden, als die vorgeführten Kandidaten. Man verkauft Wirklichkeit, die am Schneidetisch auf die gewünschte Wirkung zurechtgezimmert wird. Das sind Tendenzen, die Traumwelten generieren, nach denen sich gerade junge Menschen sehnen, ohne sich dabei bewusst zu werden, wie die Realität wirklich ausschaut. Die Zeitungen und Zeitschriften widmen dem preisgegebenen Privatleben vermeintlicher Stars seitenweise Aufmerksamkeit, ohne je zu hinterfragen, was denn letztendlich die Leistung der kolportierten Figuren beinhaltet. So wird es schwierig, den eigenen Alltag ausserhalb des roten Teppichs mit all seiner Mühsal und den banalen Problemen des täglichen Lebens sowie die kleinen (und grossen) Freuden des Daseins noch als solche zu sehen und zu erleben. Ich möchte in meinen Sendungen authentische Geschichten erzählen, Erlebnisse und Gedanken von Menschen darstellen, die mit beiden Füssen im Alltag stehen. Das ist sicher nie sehr spektakulär, dafür aber vielleicht nachvollziehbar und wahrhaftig.

Kurt Aeschbacher am Set (c) SF/Merly Knörle

Kurt Aeschbacher am Set (c) SF/Merly Knörle

Dueblin: Kurt Felix hat im Interview mit Xecutives.net sehr schön erklärt, dass es diese Schnittstelle war, die ihn immer sehr gereizt hat – Unterhalten und Berichten. Was ist es, das Sie persönlich am Medium Fernsehen und bei Ihren Programmen reizt und antreibt?

Kurt Aeschbacher: Mich reizen die Geschichten des Alltags, die Art und Weise, wie Menschen mit Niederlagen umgehen, was sie im Leben für Ziele verfolgen, wie sie ihre Welt erleben. Dieser Marktplatz von Meinungen und Erfahrungen ist für mich genau so unterhaltend wie illustrativ. Und interessanterweise gilt das auch nach zehn Jahren noch für rund 30% aller Fernsehzuschauer, die regelmässig unsere Sendung verfolgen.

Dueblin: Kurt Felix hat zusammen mit seiner Frau Paola viel erschaffen und dabei auch grosse Erfolge in Deutschland feiern können. Beide wurden dort zu Superstars. Wäre das für Sie ebenfalls eine Option, in Deutschland tätig zu sein?

Kurt Aeschbacher: Mein Ziel war es nie, ein Superstar zu werden. Ich wollte immer eine Arbeit machen, die mich fasziniert und dies in einer Umgebung und mit einem Team, die mich tragen und verstehen. Meine Abstecher ans Deutsche Fernsehen waren spannend, aber was den Umgang untereinander und die Zielsetzungen für einen Sendeerfolg betrifft, sehr ernüchternd.

Dueblin: Sehr geehrter Herr Aeschbacher, ich bedanke mich für dieses Interview und wünsche Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Erfolg und Freude bei Ihren Projekten!

 (C) 2010 by Christian Dueblin. Alle Rechte vorbehalten. Anderweitige Publikationen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors gestattet.

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